Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
r de dich persönlich in die Unterwelt befördern.“
Er stieß sie zurück auf die Felle und verließ den Wagen.
Die Amme zog ihren Kittel zurecht und rieb sich über die Augen. Wenn er sie nicht mit der Kälte ang e herrscht hätte, für die er allgemein gefürchtet war, hätte sie alles für einen Traum gehalten. Der unnahbare Kronprinz hatte sich hier, vor ihren u n bedeutenden Augen, von seiner weichen Seite g e zeigt und mit se i nem Kind gespielt, ihn sein Haar und seinen Schmuck betasten lassen und den Kle i nen lange und voll Liebe betrachtet. Auf immer wollte sie die E r innerung an diesen Anblick für sich bewahren, und nie mehr würde sie den Geschichten der Mädchen glauben, die nachts tränenüberströmt und gedemütigt aus dem Wagen di e ses Ma n nes kamen. Die dummen Gänse würden nie den wahren Kern seines Wesens erkennen, der sich ihr hier für einen kurzen Moment offenbart hatte.
Zur gleichen Zeit fand sich auf der Südseite der Alpen in derselben Höhe ein anderes Lager, zeh n mal kle i ner, dessen Bewohner aber nicht halb so ausgelassen feierten. Catulus hatte lange gez ö gert, wie er seine zwei Legionen am sinnvollsten auf die in Frage kommenden A l penpässe verteilen könnte, um den Zug der Barbaren zumindest für eine kurze Zeit aufzuha l ten. Wenn er versuchte, jeden Pass mit einem Teil seiner Mannscha f ten zu sichern, w ä ren an keiner Stelle genug Männer, um irgendeine Wirkung erzielen zu können. Daher entschloss er sich, lediglich die Südseite des wic h tigsten Passes mit einer Befestigung zu sichern. Er wählte e i nen Standort noch ziemlich hoch im G e birge, wo die Enge des Tales, dessen Grund der Fluss Athesis bild e te, ihm einen strategischen Vo r teil versprach. Er hoffte, dadurch eine breite Aufstellung der Ho r den zu verhi n dern und durch F e stungsbauten den Ansturm weiter zu verlangsamen. Wenn die Barb a ren einen anderen Ei n stieg in das Gebirge wählten, wäre seine Mission ein völliger Fehlschlag. Durch Kundschafter ließ er sich laufend über die Bew e gungen des Haufens informi e ren. Als die Barbaren tatsächlich Anstalten mac h ten, die Überquerung über ihren Pass in Angriff zu nehmen, fiel allen ein Stein vom Herzen. Die Entscheidung war ric h tig gewesen. Doch was die Kundschafter sonst zu b e richten hatten, dämpfte die erste Freude schnell. Die riesenhaften Kämpfer hätten sich nackt ei n schneien lassen, seien über den glatten und tiefen Schnee auf die Berggipfel gekle t tert und in rasender Fahrt auf ihren Schilden die Hänge hinunterg e schossen. Wie sollte man solchen Titanen entgege n treten? Die Schlacht war doch schon verloren, ehe sie begonnen war.
Catulus ließ aufwändige Befestigungen an den be i den wichtigsten Furten der Athesis errichten. Über den Fluss zog er eine Brücke, um die Versorgung und den Austausch der beiden Legi o nen zu erleic h tern, die er an beiden Seiten des Ufers postiert ha t te. Um die Legion ä re zu beschäftigen, wurden die Anlagen ständig ausg e baut und weiter befestigt. Die Offiziere, unter ihnen Lucius, wetteiferten in aufmunternden Ansprachen an die Truppen. Jede Nachlässigkeit der Soldaten wurde streng bestraft, so als ob straffeste Disziplin den Au s gang der a n stehe n den Auseinandersetzung doch noch irgen d wie beeinflussen könnte. Die Offiziere selbst gingen mit größter Selbstachtung und Strenge voran, ni e mand hätte an ihrer Erscheinung oder an ihren A n ordnungen die leiseste Kritik üben können. Wä h rend wenigstens die Soldaten sich so in Selbsttä u schung wi e gen konnten, waren die Gespräche im Zelt des Obe r befehlshabers von tiefster Hoffnung s losigkeit geprägt. Nach den Angaben der Späher müsse man mit ung e fähr einhundertzwanzigtausend Kriegern und einem nicht minder gewaltigen B e gleittross rechnen. Das Frühjahr war schon weit fortgeschritten, der Auge n blick der Konfrontation war immer noch nicht g e kommen, und die Warterei zehrte an den Nerven der römischen Truppen.
Es war schon Anfang Mai, als die Vorhut der Ba r baren die römischen Befestigungen an den Furten erreichte. Der Zug kam langsam zum Stillstand, das Tal hinter den ersten Wagen füllte sich mit Reitern, Karren und Tieren. Lucius, der wie die meisten Römer die Barbaren bisher nur vom Hörensagen kannte, meldete sich aus Neugier freiwillig, um mit einigen Männern von den umliegenden Hängen aus die Horden auszuspähen.
Die Menschen, die er von seinem Versteck aus beobachten konnte, erschienen
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