Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
über. Die Römer wussten, dass sie keine Aussicht auf einen Sieg hatten, aber sie gaben nicht auf. Auch als die Barbaren schließlich die Reste der Befestigung stürmten und in das Kastell ei n dra n gen, sahen sie sich einer entschlossen kämpfenden Truppe gegenüber, die Mann für Mann niederg e ru n gen werden musste.
Als der Kampf schließlich zu seinem vorhersehb a ren Ende gekommen war, wurden die übe r lebenden Römer entwaffnet und hinter den Befestigungen zusammeng e trieben. Nur Catulus hatte man e r laubt, beritten zu bleiben, alle anderen hatten a b steigen und ihre Pferde den Si e gern übergeben müssen. So saß der besiegte Feldherr nun auf se i nem Ross, seine geschlagenen So l daten und Offizi e re überragend, die im eisigen Schlamm hinter den rauchenden Trümmern des Ka s tells standen. Jeder einzelne von ihnen hatte genügend Schilderungen über die Gepflogenheiten der Barbaren gehört, um eine klare Vorstellung von seinem weiteren Schic k sal zu haben.
Lucius stand zwischen den Soldaten seiner Koho r te. Um ihn herum waren bereits einige Männer ohnmäc h tig in den Schlamm gesackt. Nach der A n spannung der letzten Wochen und dem stundenla n gen Kampf hatten sie einfach keine Reserven mehr gehabt. Lucius war sich sicher, dass er sich noch einige Zeit aufrecht halten konnte, obwohl er im Grunde nicht einsah, warum er sich überhaupt die Mühe machen sollte. Es war wah r scheinlich aus Trotz. Er beobachtete die feindlichen Reiter, die die Römer eingekesselt hielten und verglich den Ei n druck, den sie aus der Nähe abgaben mit dem Bild, das er sich einige Tage zuvor aus sicherer Entfe r nung von ihnen gemacht hatte. Von Nahem wirkten die Krieger weniger ausgemergelt als drahtig, an ihren Körpern schien nichts Weiches zu sein. Sie waren groß, aber ohne Masse, und die verschliss e nen bunten Mäntel, die sie nach dem Kampf wieder angelegt ha t ten, ließen die fahle Haut noch bleicher aussehen. Was ihm aber am unheimlichsten e r schien, war der fast m e tallisch kühle Blick aus den blassblauen Augen dieser Menschen. Es schien ihm, als würden sie alles vernic h ten, was sich ihnen in den Weg stellte, wenn sie es für nötig hielten, und alles aufs Spiel setzen, was ihnen auch nur im G e ringsten etwas bedeutete. Ohne A n strengung saßen sie auf ihren Pferden und beobacht e ten ihre Gefa n genen mit undurchdringlichem Au s druck. Sie schienen es darauf anzulegen, die Gefang e nen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage fühlen zu lassen, denn sie ließen die Römer stundenlang unbeweglich im Schlamm stehen, ohne dass eine Veränderung ihrer Lage in Sicht kam.
Ein schwacher Nieselregen hatte eingesetzt, der die Menschen im Tal langsam, aber unaufhaltsam, durc h nässte bis auf die Knochen. Den Bewachern ebenso wie den Besiegten liefen kleine Bäche von der Stirn über die Schläfen, den Hals entlang, die Brust und den Rücken hi n unter. Für Lucius fühlte es sich an, als sollte ihm bereits jetzt jede Leben s wärme geraubt we r den. Irgendwann, so wusste er, irgendwann würde ein Zug weißgekleideter alter Weiber au f tauchen mit einem riesigen Kessel in ihrer Mitte, dann würden sie einem nach dem and e ren die Kehle aufschlitzen und das Blut aus den zuckenden Körpern in den Kessel fließen la s sen. Sie würden nicht aufhören, bis der letzte Gefang e ne getötet wäre. Hätte ihr Fleiß einer and e ren Sache gegolten, wäre er zu bewundern gewesen.
Wah r schei n lich war es noch die Err e gung des Kampfes, dass ihm diese Gedanken zwar durch den Kopf schossen, ihn aber nicht berührten. Es war ihm, als ginge es nur um das Schicksal eines Me n schen, der ihm wenig bedeut e te, eines flüchtigen Bekannten.
Langsam fühlte er , wie seine Kraft langsam, fühlte, wie die Kälte in seinen Beinen zu schmerzen b e gann, und auf kindische Art zornig gewo r den, sagte er sich, dass er dann doch lieber bald sterben wolle, als diese Scha n de und diese Quälerei noch länger zu ertragen. Doch er musste noch lange ausharren. Erst nach vielen Stunden kam Bew e gung in die Bewacher. Von Norden her teilte sich der Ring um die Gefangenen, so dass Lucius einen Zug von Re i tern e r kennen konnte, die sich gemessenen Schri t tes näherten. Völlig unve r mittelt stieg wilde Panik in ihm auf. Er wollte protestieren, er wollte d a vo n laufen. Er wollte sich auf die Knie we r fen und alle Götter Roms um Hilfe anbetteln, wenn er nur nicht hier in diesem Dreck und Schlamm sein L e ben la s sen musste. Plötzlich
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