Der Kinderdieb
starrte auf die verkohlten Leichname hinab, die vor ihm auf dem Boden lagen. Das Schwert hatte die Elfen für schuldig befunden und seine Rache genommen. Ulfger atmete tief ein und erfreute sich am Duft von Avallachs Gerechtigkeit. Er beugte sich vor, hob eine der Fackeln auf, die die Toten hatten fallen lassen, und trat auf die Elfenkaserne zu. Mit dem Knauf Caliburns klopfte er an die verriegelte Tür.
»Ich gebe euch eine letzte Chance«, rief Ulfger. »Kommt heraus und stellt euch ehrenhaft Avallachs Urteil oder verbrennt als Feiglinge bei lebendigem Leibe.«
Er konnte sie spüren, die fünf Elfen, die die Tür abgesperrt und verbarrikadiert hatten und sich drinnen versteckten. Er wusste, dass sie nicht herauskommen würden. Ihre Angst war viel zu groß.
Ulfger trat an eine Seite der Tür und hielt die Flamme an die Dachschindeln über dem Sturz. Das alte Holz fing schnell Feuer, und schon nach kurzer Zeit quollen Rauchschwaden aus den Ritzen in den Wänden und an den Fenstern hervor.
Er labte sich an der Verzweiflung der Eingeschlossenen, an ihrer panischen Angst, schloss die Augen und beobachtete, wie sie sich in den hinteren Teil des Gebäudes zurückzogen. Er schlenderte auf die andere Seite der Kaserne und wartete untereinem der ovalen Fenster.
Avallach
, dachte er.
Du machst es mir zu leicht
.
Ulfger hörte ihr ersticktes Husten. Die Fensterläden flogen auf, und Rauch quoll hervor. Ein Elf sprang durch die Qualmwolken, traf hart auf den Boden und rieb sich hektisch die Augen, während er taumelnd auf die Beine kam.
Ulfger ließ Caliburn auf den Nacken des Elfen niederfahren, doch er trennte ihm nicht den Kopf ab, obgleich es so einfach gewesen wäre. Stattdessen versetzte er dem Elfen nur einen kleinen Schnitt, gerade tief genug, um ihm in die Haut zu ritzen. Er hatte gelernt, das Schwert darüber entscheiden zu lassen, wer leben und wer sterben sollte, wer ehrenhaft war und wer ein Verräter. Bisher hatte es alle verdammt, die es berührt hatte. Der Elf stieß ein Wehklagen aus, als seine Haut sich schwarz verfärbte und sich zischend von den Knochen löste.
Da bohrte sich ein stechender Schmerz in Ulfgers Seite. Er stieß einen Schrei aus und ging auf ein Knie nieder. Entsetzt stellte er fest, dass ein Speer zwischen seinen Rippen herausragte.
Die übrigen vier Elfen sprangen aus dem Fenster und rannten an ihm vorbei.
Ulfger packte den Schaft des Speers und riss ihn mit einem lauten Ächzen heraus. Er blutete nicht, doch die Wunde war tief, und einen Moment lang fiel es ihm schwer, zu atmen. Dann ebbte der Schmerz ab, und er bekam wieder besser Luft. Ulfger warf den Speer zu Boden und folgte den Elfen. Sie liefen nordwärts, in die Berge, zur Halle der Könige.
»Lauft, Häschen, lauft«, rief Ulfger grinsend. »Avallach werdet ihr nie entkommen.«
Nick lag in einem unruhigen Halbschlaf. Die Zelle, die er sich mit Leroy teilte, war wenig mehr als ein Loch in einer Hügelflankeund kaum größer als sie beide zusammen. Drinnen roch es nach Schweiß und Urin. Leroy lag zu einer Kugel zusammengerollt dort, wo die Schatten am tiefsten waren. Er hatte nicht ein Wort gesprochen, seit sie hier drin waren. Nick drückte sich an die Lattentür, so weit weg von Leroy, wie es auf dem engen Raum nur möglich war.
Durch die Spalten zwischen den Latten fiel verblassendes Tageslicht, das gerade ausreichte, um die Kratzspuren an der Innenseite der Tür zu erkennen. Nick fuhr die ausgefransten Kratzer mit den Fingerspitzen nach und fragte sich, wie viele verdammte Seelen ihre letzten Tage eingepfercht in diesem Loch zugebracht hatten.
Die Zelle war in einen Hang gegraben, und Nick konnte auf das etwa vierzig Meter tiefer gelegene Dorf herabblicken. Auf dem Dorfplatz brannten Fackeln. Er sah das große Kreuz von hinten, und er sah Peters Hand, die schlaff und leblos herabhing. Dann und wann zog eine kleine Gruppe Frauen vorbei und verspottete Peter oder bewarf ihn mit Dreck. Zwei Männer hielten Wache, doch sie taten nichts, um Peters Peinigerinnen von ihrem Tun abzuhalten.
»Was für ein Elend«, knurrte der Wachtposten, der neben Nicks Zelle am Hang lehnte. Er zog seinen Umhang fester um sich. »Verdammt dicker Nebel heut Nacht«, ächzte er mit einer Stimme, so rau wie Treibholz.
Er humpelte umher und versuchte ein Feuer in Gang zu bringen. Dem Wachtposten fehlten das rechte Auge und ein Ohr, und sein rechter Arm war kurz unterhalb der Schulter abgetrennt. Zudem hatte er ein Holzbein, das dicht unterm
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