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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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endgültig nicht mehr an sich halten, und er schrie:
»IHR SCHEISSIRREN!«
    Der Prediger wirbelte zur Menge herum und hob seine langen Arme mit einer dramatischen Geste gen Himmel.
»SEHETDEN DÄMON!«,
rief er. »Er kann sich nicht verstecken. Nicht vor uns. Nicht vor
GOTT!
«
    »Wir sehen ihn«, antwortete die Menge.
    Der Prediger nickte dem kahlköpfigen Hünen mit dem Brandzeichen in der Hand zu. »Zeichne die Jungen mit dem Symbol unseres Herrn. Zeichne sie, auf dass die Dämonen sich nicht vor ihm verstecken können.«
    »HALT!«,
rief eine Stimme aus der Menge.
    Der Prediger wirbelte herum, als hätte ihn etwas gestochen. Der Kapitän trat vor. Der Mann mit dem Brandeisen zögerte und sah zu dem Prediger hinüber. Der Prediger bedeutete ihm mit gehobenem Arm, innezuhalten, und funkelte den Kapitän wütend an. Nick merkte, dass er sich größte Mühe gab, seine Wut im Zaum zu halten.
    »Kapitän«, sagte der Prediger, und dann bewegten sich seine Lippen, ohne dass ein Ton darüber kam. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.
    »Ich bitte um Vergebung, Euer Gnaden, doch ich habe dringende Neuigkeiten, die Ihr sicher zu hören wünscht.«
    Der Prediger presste die Zähne aufeinander und fauchte: »Sprich.«
    »Der Junge hat sich bereit erklärt, uns zum Versteck der Zauberin zu führen.«
    Nein
, dachte Nick.
    Der Kapitän trat beiseite, und Nick merkte, dass hinter ihm Danny stand. Er war kaum wiederzuerkennen. Sie hatten ihm die Haare geschnitten, ihn gewaschen und ihm etwas angezogen, was für Nick wie Pilgerkleidung aussah. Danny hielt den Blick stur auf den Boden gerichtet.
    »Kind«, sagte der Prediger. »Ist das wahr?«
    Danny schaute nicht auf, nickte jedoch.
    Der Kapitän trat näher und wandte sich an den Prediger. »Es sind nicht so viele, wie wir befürchtet haben, Euer Gnaden. Siesind auch nicht organisiert, und vor allem kämpfen sie untereinander. Wenn wir genug kampffähige Männer versammeln und einen entschlossenen Vorstoß wagen … dann hätten wir eine Chance
gegen sie

    »Können wir ihm trauen?«, fragte der Prediger.
    »Ja, da bin ich mir sicher.«
    »Du riskierst eine Menge auf das Wort dieses Jungen hin.«
    »Ihr wisst sehr wohl, dass unsere Vorräte zur Neige gehen. Das bisschen Getreide, das die Dämonenkinder nicht vernichtet haben, verdorrt auf den Feldern. Wir sehen dem Hungertod entgegen. Wir müssen einen kühnen Schachzug wagen, solange wir es noch können.«
    »Verstehe«, erwiderte der Prediger und schien zu überlegen.
    »Wir sollten auf der Stelle aufbrechen, bevor sie Zeit haben, sich neu zu formieren. Euer Gnaden, wir könnten sie noch heute Abend in unsere Gewalt bringen …
heute Abend

    Der Prediger nickte bedächtig. »Ja, ich denke, das ist richtig. Ja, auf der Stelle also.«
    »Gut«, sagte der Kapitän und wandte sich zum Gehen.
    »Kapitän«, rief der Prediger.
    Der Angesprochene blickte sich um. »Ja?«
    »Ich komme mit.«
    Der Kapitän konnte seine Überraschung oder, wie Nick meinte, sein Missfallen nicht verbergen. Offenbar war das auch dem Prediger nicht entgangen. »Gibt es ein Problem?«
    Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Kein Problem.«
    Doch Nick hatte den Eindruck, dass es sehr wohl eines gab.
    Der Prediger zeigte auf Nick und Leroy und wandte sich an die Wachen. »Steckt sie in die Zelle. Wir werden uns um sie kümmern, wenn ich zurück bin.«

 

     
KAPITEL 22
Der räudige Alte
     
    Der Kapitän hob die Hand, und der lange Zug hinter ihm kam am Waldrand zum Stehen. Er nahm seinen Hut ab, klopfte den grauen Staub von der Krempe und musterte Danny scharf. Nie zuvor waren sie ein solches Wagnis eingegangen. Nie zuvor waren sie in das Herz dieses verruchten Waldes, zu seinen dunkelsten Geheimnissen, vorgedrungen. Nun stand er hier und legte sein Leben und das Leben seiner Männer in die Hände dieses Jungen, indem er nicht nur darauf vertraute, dass dieses Kind die Wahrheit sagte, sondern auch darauf, dass es wusste, wovon es redete.
    Der Kapitän holte tief Luft. Seine gute Menschenkenntnis hatte in den vielen Jahren auf See mehr als einmal über Leben und Tod entschieden, daher vertraute er seinem Instinkt. Dieses Kind täuschte ihn nicht. Es wollte einfach nur, dass dieser Albtraum ein Ende hatte, genau wie sie alle.
    Was, wenn der heutige Tag uns den Tod bringt?
, dachte der Kapitän.
Welche Rolle spielt das schon?
Er war dieses Spiel leid. Lieber ein schneller Tod in der Schlacht, als zu verhungern, während die letzten Kartoffeln im

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