Der Kinderdieb
Auftauchen verschwunden, weshalb die Sache mit dem Skaten keine große Rolle mehr spielte. Aber dass die anderen sich jeden Tag in der Schule über ihn lustig machten, half ihm ganz und gar nicht dabei, sich einzufügen.
Bennie klappte sein Handy auf und drückte die Wahlwiederholungstaste. Er schlug die Kapuze seines Basketballpullis zurück und rieb sich über den dunklen Flaum auf seinem Schädel.
»He, Marko, wer hat’s voll drauf? Ganz genau. Nein, ich verarsch dich nicht. Klar hab ich ihn. Der Vollidiot ist direkt zur U-Bahn, genau, wie du meintest. Wir sind im Park. Weiß nicht.« Bennie schaute sich um. »In der Nähe vom Spielplatz. Nein, nicht der. Der mit der Kackschildkröte. Wir warten. Keine Bange, das kleine Miststück geht nirgendwohin.«
Bennie klappte das Handy zu. »Schau in seine Tasche.«
Freddie griff nach der Tasche. Nick riss sie ihm weg und rappelte sich hektisch auf, doch Freddie erwischte ihn, bevor er auch nur einen Schritt weit gekommen war, und drehte ihm schmerzhaft den Arm auf den Rücken.
Bennie riss ihm die Tasche aus der Hand.
»Was da wohl drin ist?«, fragte er sarkastisch und öffnete den Reißverschluss. Er stieß einen Pfiff aus und hielt die Tasche Jake und Freddie hin, damit sie den Inhalt sehen konnten. Sie machten große Augen.
»Scheiße! Das Zeug ist sicher hundert Riesen wert«, sagte Freddie.
Jake starrte Nick verblüfft an. »Mann, Marko schlitzt dich auf und wirft dich den Fischen zum Fraß vor.«
Nick riss einen Arm los und versuchte, sich aus Freddies Griff zu winden. Er begann so laut er konnte zu schreien und zu brüllen. Bennie versetzte Nick einen Schlag, der sich anfühlte, als ob eine Leuchtrakete in seinem Kopf explodierte. Als Nickerneut losbrüllte, bohrte Bennie ihm eine Faust in den Magen, was Nick zusammenklappen ließ. Bennie packte ihn am Schopf und schaute ihm direkt in die Augen.
»Willst du weglaufen?« Bennie grinste, packte Nicks Hose mit beiden Händen und riss sie ihm bis auf die Knöchel herunter. »Mach schon. Lauf.«
Keuchend und hustend versuchte Nick, Atem zu schöpfen.
»Lass ihn los«, sagte Bennie dann.
Freddie gehorchte.
Nick hielt sich den Bauch und fiel beinahe um.
»Komm schon«, sagte Bennie. »Worauf wartest du? Mach dich vom Acker.«
Jake und Freddy grunzten.
Bennie schubste Nick, der stolperte, ein paar Schritte watschelte und es mit Müh und Not schaffte, auf den Beinen zu bleiben, obwohl ihm die Hose um die Knöchel schlackerte.
Freddie und Jake konnten kaum an sich halten vor Lachen.
Dann prallte Bennie mit voller Wucht gegen Nick. Nicks Füße verfingen sich in der Hose, und er ging zu Boden.
»Schau in seiner Unterwäsche nach«, sagte Bennie. »Wahrscheinlich hat die kleine Schwuchtel sich das Zeug in den Arsch gesteckt.«
Freddie tastete Nick ab. Er steckte ihm eine Hand in die Hosentasche und brachte das Dollarbündel zum Vorschein. »Zahltag!«
»Gib das her«, sagte Bennie und nahm ihm das Geld ab. »Das ist Markos.«
Bennie beugte sich so dicht zu Nick herunter, dass dieser die Tomatensoßeflecken an seinen Mundwinkeln sehen konnte. »Marko hat gesagt, dass er seine Werkzeugkiste mitbringt. Meinte, das wird eine echte Horrorshow. Ich liebe Horrorshows. Du auch?«
Der Ast über ihnen erzitterte, und es regnete Blätter. Dannwar ein leiser Aufprall zu hören. Nick und Freddie sahen
ihn
als Erste. Als Bennie und Jake auffiel, was für Gesichter sie machten, fuhren beide herum.
Ein Junge, der kaum größer war als Nick, stand auf dem Gehweg. Er hatte eine handgearbeitete Lederhose mit direkt daran angenähten, spitzen Stiefeln an. Dazu trug er eine zerlumpte Anzugjacke, eine von der altmodischen Sorte mit Troddeln, und darunter einen schwarzen Kapuzenpulli und einen Wildlederbeutel, fast wie eine Geldbörse, der mit einem Schultergurt befestigt war. Der Junge schlug die Kapuze zurück. Zweige und Blätter steckten in dem zerzausten, schulterlangen roten Haar, das darunter zum Vorschein kam. Seine Wangen und seine Nase waren von Sommersprossen übersät. Die Ohren des Jungen waren, nun ja, irgendwie spitz, wie die von Mr. Spock oder von einem kleinen Weihnachtswicht. Doch das Seltsamste an ihm waren seine golden glänzenden Augen.
Der Junge stemmte die Hände und die Hüften, und sein Gesicht erstrahlte in einem breiten Lächeln. »Ich heiße Peter. Kann ich mitspielen?«
Der Kinderdieb musterte die Teenager, wobei er sorgfältig darauf achtete, weiter zu lächeln und seine Verachtung nicht
Weitere Kostenlose Bücher