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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen. Aber das war nicht der einzige Grund für seine Entscheidung. Da war noch etwas, das Peter kaum bewusst war und das er niemals zugegeben hätte. Inzwischen verließ er sich auf Tanngnost, auf seinen Rat und sein Wissen über die Geschichte Avalons. Er war der eine feste Halt, auf den Peter sich verlassen konnte, das Einzige in seinem Leben, was sich während seiner langen, aufgewühlten Jahre in Avalon nicht verändert hatte.
    Er erreichte das Tiefland, und der Boden wurde weich. Dem Hexenland war es bislang besser ergangen als den anderen Reichen, doch selbst in der kurzen Zeit, die er fort gewesen war, hatte die Geißel ihre tödlichen Finger tief in Ginnys Tümpel gestreckt. Peter bewegte sich verstohlen und hastete wachsam von einem Baumstumpf zum anderen. Er wollte nicht der Hexe begegnen, nicht heute.
    Peter hörte Schritte, die sich schnell näherten. Er zog sein Messer und duckte sich hinter einem dichten Gewirr aus Papyrusstauden.
    Eine große, gebeugte Gestalt kam in Sicht, die mit einem knotigen Stab in der Hand den Pfad entlangstapfte. »Tanngnost«, sagte Peter halblaut und grinste. Der Troll trug ein verärgertes Stirnrunzeln zur Schau.
    Peter wartete, bis der Troll beinahe bei ihm war, und sprang aus seinem Versteck.
»BUH!«
    Tanngnost schwang seinen Stab schneller, als Peter erwartet hatte. Er musste sich zu Boden fallen lassen, um nicht getroffen zu werden.
    »Peter! Du … du … du schelmischer kleiner Kerl!«
    Peter hielt sich vor Lachen den Bauch.
    Tanngnost bedachte ihn mit einem zornigen Blick, knurrte,schnaubte, verzog beleidigt das Gesicht und gab ihm einen lauten Klaps auf den Hintern.
    »Au!«
    »Jemand muss dir etwas Respekt einbläuen. Du verabscheuungswürdige Missgeburt. Warum hast du überhaupt so lange gebraucht? Ich war ganz krank vor Sorge.« Er blickte an Peter vorbei, als suchte er jemanden. Dann wurde seine Miene sanfter. »Es ist wohl nicht so gut gelaufen.«
    Ernüchtert schüttelte Peter den Kopf.
    Der Troll stieß einen tiefen, langen Seufzer aus. »Das tut mir leid. Ich mehre deine Sorgen ja nur ungern, aber ich bringe ebenfalls schlechte Kunde. Es macht ganz den Eindruck, dass Avallach uns heute verlassen hat. Die Fleischfresser brennen …«
    »Psst«, sagte Peter. »Hast du das gehört?«
    »Peter, die
Fleischfresser
…«
    »Psst, hör mal.« Peter lief schnell einige Schritte den Pfad entlang und legte den Kopf erst nach links und dann nach rechts schief. Da hatte jemand geschrien, er war sich sicher.
    Tanngnost kam ihm nach.
    Da war es wieder, irgendwo im Sumpf. Ein Kreischen. Es klang wie ein Junge. Peter gefror das Blut in den Adern. Die einzigen anderen Jungen auf der Insel waren seine Teufel. Er rannte los, so schnell er konnte, und setzte achtlos über Tümpel, Wurzeln und Schlammpfützen hinweg, das Messer gezogen, den Blick wild und das Gesicht zu einer mörderischen Grimasse verzerrt.

 

     
KAPITEL 13
Menschlinge
     
    Um sie wirbelte der Nebel. Das Heulen kam näher.
    Nick hob seinen Speer auf und zog sich daran auf die Knie hoch. Er schaffte es nur mit Mühe, durch seine brennende Kehle einzuatmen und dabei nicht umzukippen.
    Sekeu, Abraham, Blutrippe, Dirk, Flitz und Leroy bildeten einen losen Kreis um Grilles und Dannys schlaffe Leiber.
    Aus allen Richtungen drang Heulen und Jaulen an ihre Ohren, während dunkle Gestalten mit orangefarbenen Augen vorbeischossen. Nick stemmte den Schaft seines Speers in die Erde und richtete die Spitze aus ihrem Kreis heraus.
    Ein Kichern – es klang wie das Lachen kleiner Mädchen – kam von allen Seiten.
    Sekeu hatte die Augen weit aufgerissen, und zum ersten Mal bemerkte Nick sogar auf Blutrippes Gesicht einen Anflug von Angst.
    Der Nebel lichtete sich, und vor ihnen, keine sieben Meter entfernt, stand ein kleines Mädchen mit langen weißen Haaren und einem fließenden weißen Kleid. Die Kleine lächelte sie an und kicherte leise.
    »Sieh an«, sagte sie, »die Jungen und Mädchen kommen zum Spielen raus.«
    »Wie herzallerliebst«, kam die Antwort. Nick warf einen Blick über die Schulter und entdeckte ein weiteres Mädchen in einem weißen Kleid.
    »Allerdings, herzallerliebst«, rief ein drittes, diesmal zu seiner Linken. Die drei schienen sich bis aufs Haar zu gleichen.
    »Was für hübsche Häute. Daraus wird Mutter uns sicher neue Schuhe machen.«
    »Schuhe, Schuhe. Ich will ein Halsband aus glänzend weißen Zähnen.«
    »Und Ohrringe, vergiss nicht die

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