Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
schon einen Typen niedergebrüllt, der ihm ein bisschen Bier über den Schuh gekippt hatte.
»Was meinst du? Ist doch ganz okay hier, oder?«
»Geht schon.«
Sie standen eingepfercht oben auf der Galerie und schauten in die überfüllte Bar hinunter, wo die Menge zwischen den Säulen wogte und die Leute sich auf den Bänken am Rand zusammenquetschten. Am Tresen standen sie in Fünferreihen, schrien nach Bedienung und wedelten mit ihren Zehn- und Zwanzigpfundscheinen herum. Oben, wo Raymond und Sara waren, konnte man tanzen, soweit der Platz es erlaubte, ein DJ legte auf, die Top Vierzig und Soul mit Swing gemischt. Raymond nahm sich vor rüberzugehen und diesem Idioten eine zu verpassen, falls er noch einmal »I Wanna Sex You Up« spielte. Diese Arschlöcher mit ihren großen Klappen und ihren Riesenschwänzen.
»Raymond!«
Er hatte geistesabwesend Saras Hintern gestreichelt. Sie drängte von ihm weg und warf ihm einen dieser vorwurfsvollen Blicke zu, so nach dem Motto, warte gefälligst bis später, und selbst dann kannst du von Glück reden.
Raymond beschloss, bald zu gehen, sobald er sein Bier ausgetrunken hatte, mal sehen, was sich auf dem Heimweg machen ließ. An einem anderen Abend hätte er versucht, sie zu sich in sein Zimmer zu lotsen, da hätten sie Platz, sich auszustrecken, könnten sich Zeit lassen. Aber heute Abend nicht, er merkte ganz deutlich, dass sie wegen irgendetwas angesäuert war. Er war eben anders als die meisten anderen Typen, dachte Raymond, die kein bisschen sensibel waren, denen es scheißegal war, wie’s der Frau ging, Hauptsache, sie konnten ihn reinstecken.
Patel blickte quer durch den Raum zu Alison, die dasaß und mit ihrem Weinglas spielte, während sie auf seine Rückkehr wartete; er konnte es immer noch nicht fassen, dass sie wirklich mit ihm zusammen hier sein wollte. Die Wärme ihres Lächelns, als er sich wieder zu ihr setzte. Bei dem Stimmengewirr rundherum und dem Dröhnen der Boxen musste man schreien, um gehört zu werden.
Sie trank aus und zeigte mit ihrem Glas zur Tür. »Gehen wir«, sagte sie mit übertriebenen Mundbewegungen, damit er die Worte von ihren Lippen ablesen konnte.
Sie gingen das schmale Podest mit Tischen entlang, auf dem sie gesessen hatten, an den Bildern und Topfpflanzen vorbei durch die Schwingtür hinaus auf die Straße. Dort herrschte ein Betrieb wie zur Hauptverkehrszeit. Eine Gruppe von zehn oder zwölf jungen Leuten kam mitten auf der Fahrbahn, Arm in Arm und laut singend, die Straße herunter und blockierte den Verkehr. In der schmalenSeitengasse, die zu dem karibischen Restaurant führte, knutschte ein Pärchen auf Teufel komm raus, und ein Stück weiter stand ein Junge in einem Nottingham-Forest-Trikot an der Mauer und pinkelte.
An der Ecke George Street nahm Alison Patel bei der Hand.
»Ich habe neulich diese Sendung über arrangierte Ehen gesehen«, sagte sie. »Es wundert mich, dass du noch frei herumläufst.«
»Du wirst lachen, aber man kann nein sagen.«
»Ich hätte nicht geglaubt, dass das so einfach geht, bei dem Druck der Familien und so.«
»Es ist leichter, wenn man ein Mann ist.«
»Ist das nicht immer so?«
Drei kostümierte junge Frauen schossen direkt vor ihnen auf die Straße: Eine war als Polizistin verkleidet, zu ihrer Uniformjacke trug sie eine weiße Skihose und High Heels; die anderen spielten Schulmädchen mit Turnhöschen, schwarzen Strümpfen und weißen Strapsgürteln. Die eine hatte eine in Papier gewickelte Riesenbockwurst in der Hand, die anderen trugen Pappbehälter mit Pommes und brauner Soße.
»Hände hoch!«, rief die Polizistin und wedelte Patel mit der Wurst vor der Nase herum. »Sie sind verhaftet.«
Patel machte einen Schritt zur Seite, die Frau warf schlingernd ihren Freundinnen die Arme um den Hals, und alle drei bogen sich vor Lachen, während Pommes und braune Soße auf der Straße landeten.
»Na, wenn das nicht das pralle Leben ist«, meinte Alison und hakte sich bei Patel ein.
»Ja, aber muss es gleich so prall sein?«, fragte Patel, als sie den Hügel hinuntergingen.
Alison lachte und drängte sich näher an ihn.
Raymond hatte Lust auf ein letztes Bier im »Thurland« gehabt und Sara hatte volle fünf Minuten lang mit ihm auf der Straße gestritten, ehe sie endlich nachgegeben hatte. Doppelt so lang hatten sie auf Bedienung warten müssen, dann hatte Raymond ewig gebraucht, um sich zur Herrentoilette durchzudrängen, und als er dort ankam, war eines der Klos verstopft und er
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