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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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letzten Jahr. Immer die gleichen blöden Texte, immer »Touch me, Baby«, immer »all night long«. Mit seinem Glas in der Hand kehrte Raymond dem Tresen den Rücken. Das Mädchen saß jetzt halb auf einem Hocker, sie war in seinem Alter, nein, jünger. Raymond erinnerte sich an den Sänger und sein Video im Fernsehen, es war einer dieser fetten Nigger in Rüschenhemd und Smoking. Zumindest glaubte er, dass es derselbe war, genau konnte man das bei diesen Typen ja nie wissen, so wie die sich alle ähnelten.Es war jedenfalls einer von denen, für die die Frauen ihre Schlüpfer auszogen und auf die Bühne warfen, damit der Kerl sich den Schweiß vom Gesicht wischen konnte. Raymond starrte das Mädchen an, und ihm wurde schlecht.
    »Hey! Was glotzt du so?«
    Er stellte sein halbvolles Glas ab und ging.
    »Charles, warum willst du schon gehen? Es ist noch früh.« Ein Lächeln, zart, aber inständig. »Wir könnten doch noch tanzen.«
    Als Resnick und Marian das letzte Mal im Klub getanzt hatten, hatte seine Exfrau sie auf dem Rückweg zu ihrem Tisch abgepasst. Elaines Stimme hatte er augenblicklich erkannt, ihr Gesicht jedoch war kaum wiederzuerkennen gewesen; auch ihr Haar nicht, das, sonst immer so sorgfältig toupiert, gebürstet und gelegt, jetzt trocken und spröde und ohne jeglichen Schnitt war; auch nicht die fleckige Haut und die schlampige Kleidung. Nur ihre anklagende Stimme war dieselbe geblieben.
    Die vielen Briefe, die ich dir geschrieben habe, und nicht einen hast du beantwortet. Und wenn ich dich angerufen habe, weil ich es vor Schmerz nicht aushielt, hast du ohne ein Wort aufgelegt.
    Wenn er in dem Moment nicht gegangen wäre, hätte er zugeschlagen – der einzige üble Ausrutscher, der ihm zum Glück nie passiert war.
    Resnick war nicht nach Tanzen und so gab er Marian zum Abschied einen leichten Kuss auf die gepuderte Wange. Zu Hause würden sich seine Katzen zur Begrüßung auf ihn stürzen, vor Sehnsucht nach seiner warmen Hand auf die Steinmauer springen und ihm aufgeregt um die Beine streichen, wenn er zur Haustür ging. Natürlich hatte er sie gefüttert, bevor er gegangen war, aber zur Feier seiner Heimkehr würden doch bestimmt eine Handvoll MeowMix abfallen und ein paar Brocken Käse, wenn er sich, wie so oft um diese Zeit, ein Brot machte, und etwas gewärmte Milch dazu, wenn er einen weichherzigen Moment hatte.
    Dunkle Kaffeebohnen aus Nicaragua lagen mit sattem Glanz in seiner Hand. Es war kurz vor zehn. Elaine war damals aus der Dunkelheit getreten und in sein Leben, in sein Haus zurückgekehrt, und er hatte sie nicht haben wollen, sie brachte nur Wut und Schmerz, aber als sie ihm von ihrer kaputten zweiten Ehe erzählt hatte und allem, was danach folgte, hatte er nichts mehr gewünscht, als sie in die Arme zu nehmen und Absolution für sie beide zu erbitten. Doch er hatte nicht einmal das getan. Dann war sie wieder gegangen, ohne ihm zu sagen, wohin, und Resnick hatte seither nichts mehr von ihr gehört.
    Resnick nahm seinen Kaffee mit ins Wohnzimmer, goss sich einen kräftigen Scotch ein und stellte Becher und Glas zu beiden Seiten seines Sessels auf den Boden. Er hatte die Deckenbeleuchtung nicht eingeschaltet, sodass der rote Punkt an der Stereoanlage umso kräftiger leuchtete. Ohne besonderen Grund legte er Thelonius Monk auf. Klavier, bisweilen Vibraphon, mit Bass und Schlagzeug. Hände, die die Melodien schräg und unorthodox angingen. »Well You Needn’t«; »Off Minor«; »Evidence«; »Ask Me Now«. »Hört sich an, als würde er mit den Ellbogen spielen«, hatte Elaine einmal abfällig bemerkt. Okay, manchmal tat er das wirklich.
    Raymond hatte es noch auf einen letzten Drink im »Nelson« versucht, aber den Türstehern hatte seine Nase nicht gefallen und sie hatten ihn nicht reingelassen. Das Resultat war, dass er wieder in dem Pub landete, wo er erst in der Woche zuvor dem Typen begegnet war, der ihn mit dem Messer angegriffen hatte. Aufgekratzt vom Alkohol hoffte er beinahe, er würde wieder dort sein. Aber nein. Raymondstand eingequetscht am hintersten Ende der Bar, die harte Kante des mit leeren Gläsern vollgestellten Tresens bohrte sich ihm in den Rücken. Erst als es ihm gelang, sich ein wenig nach links zu schieben, bemerkte er das Mädchen. Nicht aufgedonnert und billig wie die im »Malt House«, sondern braunes, glattes Haar, das gut geschnitten ihr Gesicht umrahmte, ein Gesicht, das gerade noch der Reizlosigkeit entging.
    Sie saß an einem voll besetzten Tisch,

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