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Der Kirchendieb

Der Kirchendieb

Titel: Der Kirchendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Frieser
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hielt er die Kerze in Johannas Reich.
    Das Licht reichte aus, um die winzige Kammer auszuleuchten. Es war gerade mal Platz für ein schmales Bett. An der Wand befand
     sich eine kleine Nische, in der Johanna ihre wenigen Habseligkeiten aufbewahren konnte. Sie war leer. Andreas stellte die
     Kerze hinein.
    »Wie hältst du es nur hier aus?« Der Kaufmannssohn blickte sich entsetzt um. »Und das Bett pikst ja auch ganz furchtbar«.
    Johanna sah ihn verwundert an. »Vielleicht ist derRaum etwas eng, aber das Bett ist ganz in Ordnung. Was will ich mehr? In der Matratze ist sogar frisches Stroh und eine Decke
     schützt mich vor der Kälte«.
    »Die kratzt!«, meckerte Andreas. »Ich könnte hier kein Auge zumachen«.
    »Du bist halt doch ein verzogenes Muttersöhnchen«, spaßte Johanna. Für sie war das Bett der reinste Luxus. Immerhin gehörte
     es ihr ganz alleine. Und eine Wanze hatte Johanna auch noch nicht gesehen. Ohne die Bisse dieser ekligen Blutsauger würde
     sie später wie auf Wolken gebettet schlafen. Doch das musste noch etwas warten. Jetzt war die Kammer mit leckeren Essensdüften
     erfüllt. Wie auf Kommando begann Johannas Magen laut zu knurren. Die Kinder mussten lachen.
    »Dann werde ich wohl mal die Tafel decken«, meinte Andreas vergnügt.
    Johanna kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie all die Köstlichkeiten sah. Auf einem weißen Tuch ausgebreitet lagen
     vor ihr das Bein eines lecker gebratenen Hähnchens, allerlei süßes Gebäck, ein Stück Käse, ein Apfel und zwei Pflaumen. Johanna
     schlang alles gierig in sich hinein. Die Bauchschmerzen, die sie von dem ungewohnt vielen Essen bekam, störten sie nicht im
     Geringsten.
    Satt wie noch nie in ihrem Leben dankte sie ihrem neuen Freund.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich das wiedergutmachen kann.«
    »Sag mir einfach Bescheid, wenn du mal wieder nichts zu essen bekommst«, strahlte Andreas, der sich wie der barmherzige Samariter
     fühlte.
    »Du hast es wirklich gut«, sagte Johanna nachdenklich. »Du lebst in einem schönen Haus, hast immer reichlich zu essen und
     darfst zur Schule gehen«.
    »Die Schule ist kreuzblöd und der neue Lehrer, der Zenker, greift wegen Kleinigkeiten gleich zur Rute. Glaub mir, das macht
     keinen Spaß«.
    »Aber du kannst dort so viel erfahren über die Welt, lernst lesen und schreiben. Weißt du, dass ich noch nie ein Buch in den
     Händen gehalten habe. Was muss das für ein Gefühl sein, wenn einem die ganze Welt darin zu Füßen liegt.« Johanna kam ins Schwärmen.
    »So habe ich das noch nicht gesehen«, gab Andreas zu.
    »Die Schläge würde ich gerne in Kauf nehmen, wenn ich nur etwas Anständiges lernen könnte. Sei froh, dass dein Vater es sich
     leisten kann«, tadelte Johanna ihren neuen Freund.
    »Das mag ja sein, aber trotzdem sind die Prügelstrafen schrecklich«, protestierte Andreas und rieb sich den Hintern. »Ich
     hab mich sogar schon bei meinem Vater über den neuen Lehrer beschwert, aber der sagte nur:
Wer sein Kind liebt, spart mit der Rute nicht!
« Andreas ahmte seinen Vater nach und Johanna musste lachen.
    Dann begannen sie sich gegenseitig von ihrem Leben zu erzählen, das nicht unterschiedlicher hätte sein können. Johanna berichtete
     von ihrem Alltag als Kind armer Leute, von dem Unfalltod ihres Vaters, von ihrem Traum, in die Schule zu gehen und eine Lehre
     als Schneiderin zu machen. Ihr Freund hörte staunend zu. Und dann erzählte er von seinem privilegierten Leben, das ebenso
     Sorgen und Nöte mit sich brachte, wenn auch andere. Johanna erfuhr, dass Andreas noch zwei ältere Brüder hatte. Beide mussten
     mit zwölf Jahren das Haus verlassen, der älteste machte eine Kaufmannslehre bei einem befreundeten Händler in Spanien und
     der mittlere studierte an der Universität in Wien Jura. Noch zwei Jahre, dann würde auch Andreas das Haus verlassen müssen.
    Johanna spürte, dass Andreas Angst davor hatte.
    »Weißt du was?«, meinte Andreas plötzlich aufgeregt»Ich bringe dir das Lesen und Schreiben bei«. Er strahlte über das ganze Gesicht.

    Johanna aber starrte ihn nur entgeistert an.
    »Ich habe noch meine alte AB C-Fibel und eine Wachstafel zum Üben. Gleich morgen Abend bringe ich sie dir vorbei«.
    Noch immer traute Johanna ihren Ohren nicht.
    »Aber das bleibt unser Geheimnis!«, flüsterte Andreas und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
    Dann war er auch schon weg. Johanna blieb allein zurück. Ob sie Andreas trauen konnte? Würde er sein Wort halten? Doch dann
    

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