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Der Kirchendieb

Der Kirchendieb

Titel: Der Kirchendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Frieser
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Speisesaal der Herrschaften«.
    Johanna verschlug es fast den Atem. Eine solche Küche hatte sie noch nie gesehen. Überhaupt kam sie, seit sie das Haus betreten
     hatte, nicht mehr aus dem Staunen heraus. So müssen Könige leben, dachte Johanna. Wie schäbig war dagegen die Kellerkammer,
     in der sie bisher gelebt hatte. Allein der Fußboden war mit roten und weißen Fliesen ausgelegt, kein blanker Lehmboden wie
     zu Hause.
    Der überwölbte Raum wurde von einem großen, gemauerten Herd beherrscht. Ein Abzug sorgte dafür, dass sich der Rauch nicht
     in der Küche fing. Auf dem Herd flackerte ein kleines Feuer, an dessen Rand standen mehrere Keramiktöpfe, zwei Bratspießeund zwei Dreifüße. Darüber hing an einem höhenverstellbaren Haken ein großer Kupferkessel voll heißem Wasser. An den Wänden
     reihte sich unterschiedlichstes Kochgeschirr, dessen Verwendungszweck Johanna nicht kannte. Dann gab es noch einen Brat- und
     Backofen, eine Hackbank und einen großen Blasebalg. In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Holztisch, auf dem das Essen
     zubereitet wurde. Von der Decke hingen geräucherte Würste und Fleisch, die einen Duft verströmten, der Johanna beinahe schwindelig
     machte. Sie glaubte sich schon im Paradies, als die durchdringende Stimme der Frau Johanna aus ihren Tagträumen riss.
    »Gaff nicht so dumm! Mach dich lieber nützlich«.
    Johanna nickte nur.
    »Ich bin übrigens die Theres, die dienstälteste Magd in der Küche. Ab sofort hast du auf mich zu hören, genau wie die beiden
     anderen hier. Die mit dem dämlichen Grinsen ist die Ursula, und die, die gerade das Fleisch misshandelt, statt es ordentlich
     zu schneiden, ist die Gret.«
    Beide waren erwachsene Frauen und Johanna wurde angst und bang. Würde sie in zehn oder gar zwanzig Jahren immer noch hier
     unten in der Küchestehen und Gemüse schneiden, so wie diese beiden da? Mit einem Mal war aus dem Paradies ein Gefängnis geworden.
    Wie um die Befürchtung noch zu bestätigen, fügte Theres hinzu: »Du wirst als Erste auf den Beinen sein und das Feuer auf dem
     Herd anmachen. Noch vor Sonnenaufgang. Die Herrschaften pflegen jetzt im Sommer mit dem Morgengeläut zur sechsten Stunde aufzustehen.
     Deine Aufgabe wird sein, heißes Wasser zum Waschen für sie bereitzuhalten. Danach gehst du uns in der Küche zur Hand. Wo das
     Brennholz und der Schweinestall sind, zu dem du die Essensabfälle bringst, wird dir später Ursula zeigen. Bis heute war es
     ihre Aufgabe.«
    Johanna nickte erneut. Noch immer machte die üppig ausgestattete Küche sie sprachlos. Wie es wohl erst in den Wohnräumen aussah?
     
    Der Rest des Tages bestand aus Arbeit. Obst schälen, Gemüse schneiden, abwaschen, Brennholz holen, Abfälle wegbringen und
     sauber machen, diese Tätigkeiten bestimmten Johannas Tag. Zweimal hatte sie sich in den Finger geschnitten und dreimal am
     offenen Feuer verbrannt. Von Theres hatte sie jedes Mal dafür einen Schlag mit dem Kochlöffel auf denHinterkopf erhalten. Als ob die Schmerzen nicht schon Strafe genug gewesen wären.
    Verschwitzt und müde schleppte Johanna die Abfälle Richtung Schweinestall über den Innenhof. Es war bereits Abend und der
     Tag schien kein Ende zu nehmen.
    »Ich beobachte dich schon eine Weile«, sagte plötzlich jemand hinter ihr.
    Erschrocken drehte sich Johanna um und blickte in das schadenfrohe Gesicht eines Jungen. Es war Andreas. Mit verschränkten
     Armen baute er sich vor ihr auf.
    »Was willst du von mir?«, fragte Johanna misstrauisch.
    »Was wohl? Dir verkünden, dass ab heute der schlimmste Albtraum deines Lebens beginnt. Ich habe gehört, dass du bei uns als
     Magd arbeitest. Ich werde dir jede Minute, die du in unserem Haus verbringst, zur Hölle machen.« Der Junge pikste mit ausgestrecktem
     Zeigefinger gegen Johannas Brust.
    »Spar dir lieber die Luft zum Atmen«, erwiderte Johanna müde. »Ich bin schon in der Hölle. Schlimmer kannst du es gar nicht
     mehr machen«. Dann drehte sie auf dem Absatz um und marschierte ungerührt weiter Richtung Schweinestall.
    Sprachlos blickte ihr Andreas hinterher. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Wie um sich selbst von dem eben Gesagten
     zu überzeugen, rief er ihr hinterher: »Du wirst schon sehen!«
    Doch kaum hatte Andreas dies gesagt, tauchte wie aus dem Nichts die alte Theres neben Johanna auf. Sie packte sie am Ohr und
     zog es derart grob in die Höhe, dass Johanna vor Schmerzen beide Eimer fallen ließ. Der Inhalt verteilte sich

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