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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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sauber. Die einzigen Einrichtungsgegenstände waren die Tatami-Matten, ein Kohlebecken sowie ein Wandschrank für das Bettzeug und die persönlichen Gegenstände der Gäste. Gorōbei entfachte ein Feuer im Kohlebecken, zündete die Lampen an und stellte sie auf den Boden. Dann verbeugte er sich lächelnd.
    »Ich hoffe, mit diesem ärmlichen Zimmer ist Euch gedient, werte Herren. Dort entlang«, er streckte die Hand aus, »geht es zum Badehaus und zu den Toiletten. Laßt mich bitte wissen, falls Ihr noch irgend etwas braucht.« Nach einer weiteren Verbeugung eilte er zurück zum Eingangsraum, wo Stimmen davon kündeten, daß neue Gäste eingetroffen waren.
    Frisch gebadet, in einen sauberen Umhang gekleidet und in der Abgeschlossenheit des kleinen, warmen Zimmers, spürte Sano, wie die Spannung von ihm abfiel. Das körperliche Wohlbehagen ließ alle Bedrohungen fern und unwirklich erscheinen.
    »Ich bin halb verhungert«, jammerte Tsunehiko und kniete sich schnaufend neben das Kohlebecken. »Wann essen wir?«
    Wie als Antwort auf seine Frage wurde die Tür zur Seite geschoben. Ein Hausmädchen kam auf den Knien ins Zimmer. Sie verbeugte sich; dann schob sie Sano und Tsunehiko Serviertabletts mit dem Abendessen hin. Die Portionen waren reichlich. Es gab Fisch, Reis, Gemüse und Suppe. Sano war froh, daß es in solchen Herbergen keine Speisesäle gab und die Gäste auf den eigenen Zimmern aßen; denn er war es müde, mißtrauisch in jedem unbekannten Gesicht zu forschen. Das Hausmädchen schenkte Tee ein und zog sich zurück.
    »Schmeckt gut«, sagte Tsunehiko mit vollem Mund.
    Sano nickte zustimmend. Der Reis war körnig, das Gemüse und die Suppe gut gewürzt und schmackhaft. In Anbetracht des günstigen Preises bot Ryokan Gorōbei den Gästen in der Tat ein gutes und reichliches Essen. Sano beschloß, dem Wirt vor der Weiterreise ein großzügiges Trinkgeld zu geben. Der Krampf in seinem Magen, den die Anspannung hervorgerufen hatte, löste sich, und Sano aß mit gesundem Appetit. Fast konnte er sogar mit Tsunehiko mithalten, so daß er seinem enttäuschten Schreiber nur ein paar eingelegte Gurken zum alleinigen Verzehr übrig ließ.
    »Herrje, ist das laut«, bemerkte Tsunehiko, als sie die letzten Schalen Reiswein geleert hatten. »Was treiben die da drüben bloß?«
    Er beugte sich zur Seite, um das Brett vor dem Fenster zur Seite zu schieben.
    »Nein …« Sanos Hand schoß vor, um ihn zurückzuhalten.
    Tsunehiko blickte ihn verdutzt an. »Warum soll ich denn nicht schauen?«
    Sano ließ die Hand sinken. »Schon gut«, sagte er. Er wollte zwar nicht, daß andere Gäste erfuhren, in welchem Zimmer sie sich aufhielten, doch er konnte der Versuchung nicht widerstehen, einen Blick nach draußen zu werfen. Vielleicht würde er diesmal ihren Verfolger entdecken. »Also gut. Schau nach.«
    Der Schreiber öffnete das Fenster. Das Lachen und die Musik, die immer lauter geworden waren, während Sano und Tsunehiko gegessen hatten, fuhren zusammen mit einem Schwall eisigen Windes ins Zimmer. Sano schaute über den Garten hinweg zu den anderen Gästequartieren. Eines der Fenster war geöffnet, und er konnte eine Gruppe Samurai im Innern des Zimmers erkennen. Eine Frau in einem hellen Kimono, vermutlich die »Kellnerin« des Gasthofs, kniete inmitten der Männer und spielte auf einer Shamizen. Einer der Samurai nahm eine närrische Pose ein und begann mit falscher Stimme zu singen. Seine Gefährten lachten schallend. In einem anderen Zimmer beteten zwei Priester Sutras – heilige Verse – in monotonem Sprechgesang.
    Sano richtete den Blick auf einen anderen Flügel des Gasthofs, der ein Stück vom Hauptgebäude entfernt stand. War der Beobachter eine der schattenhaften Gestalten, die sich im flackernden Licht der Lampen vor den durchscheinenden Fenstern abzeichneten? Oder war er in einem anderen Gasthaus abgestiegen, um am nächsten Morgen ihre Fährte wieder aufzunehmen? Vielleicht lauerte er irgendwo in der Dunkelheit außerhalb des Dorfes. Als Sano in der Sicherheit des behaglichen Zimmers saß und den vertrauten Geräuschen lauschte, hätte er beinahe glauben können, daß der Beobachter keine Gefahr für ihn und Tsunehiko darstellte.
    Beinahe.
    Tsunehiko gähnte. »Herrje, bin ich müde«, murmelte er.
    Auch Sano gähnte. Das Verlangen seines Körpers nach Schlaf wurde stärker als das Verlangen seines Verstandes, wachsam zu bleiben. Als die Dienstmagd wieder aufs Zimmer kam, um die Serviertabletts zu holen, bat Sano

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