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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schrecklich einsam fühlte während der Urlaube nach langen Fahrten. Erst wenn er wieder an Bord war und seinen Glaskasten im Magazin wieder besetzte, war er glücklich und wütend zugleich, weil der andere Magazinverwalter, den er ablöste, in seinen Augen eine Schlampe war, bei dem nichts mehr stimmte. Dann saß er nächtelang über den Bestandslisten und kontrollierte in den einzelnen Kühlräumen.
    »Hier wird um die Wette geklaut!« brüllte er dann durch das Magazin. »Aber jetzt bin ich wieder da! Ich zähle jede Pflaume nach!«
    Auch heute saß Rudi Faster in seinem Glaskasten und sah zu den beiden Küchenhilfen hin, die den langen Gang entlangkamen. Die Küche hatte Bananen bestellt; sie standen in Kartons neben der Tür des Raumes für Obst und Gemüse, bereit zum Abholen. Faster hatte sie genau abgezählt: drei Stauden Bananen, aufgeteilt in zwei Kartons.
    Er nahm seinen Quittungsblock und verließ sein Büro. Die beiden Küchenhilfen hatten vor den Kartons haltgemacht und beugten sich jetzt darüber. Theo Hanf, in der Hierarchie der Küchenhilfen eine Art Vormann, drehte sich nach Faster um, als er dessen wuchtigen Schritt hörte.
    »Ist alles abgezählt«, sagte Faster und schwenkte den Quittungsblock. »Herkommen und unterschreiben …«
    Theo Hanf hielt seinen Kollegen zurück, der sich einen der Kartons schon auf die Schulter wuchten wollte, und schüttelte den Kopf. Der Kollege war neu an Bord, die erste Fahrt mit einem Luxusschiff, umgemustert von einem Container zur Kreuzfahrt.
    »Nicht ein Banänchen rühr ich an«, sagte Hanf laut. »Das könnte dir so passen, Rudi! Hier fehlt ein ganzer Ring Bananen.«
    »Red nicht so einen Quatsch! Nicht glotzen … gucken!« Faser kam näher und blieb vor den Kartons stehen. »Ich hab die Bananen selbst rausgeholt. Was ich ausgebe, stimmt bis auf ein Böhnchen … Noch 'ne dumme Bemerkung?«
    »Nein.« Theo Hanf zeigte mit ausgestreckter Hand auf die Bananen. »Bei den Böhnchen mag das stimmen, aber bei den Bananen fehlt ein Kranz. Ich bin doch nicht blind oder doof.«
    »Über Doofheit kann man diskutieren.« Faster beugte sich über den zweiten Karton und erstarrte plötzlich. In dieser Haltung blieb er stehen, als sei sein Rückgrat angebrochen. »Das darf nicht wahr sein …«, sagte er dumpf. »So was gibt's doch nicht …«
    »Nicht glotzen … gucken!« wiederholte Hanf frech. »Wie haben wir's denn jetzt?«
    Durch Rudi Faster fuhr es wie ein Blitz. Er richtete sich auf, atmete tief durch, wuchs dadurch nicht nur in die Breite, sondern auch in der Größe, und dann dröhnte seine gewaltige Stimme durch das Magazin. »Hier unten klaut einer! Von der Mannschaft klaut einer Bananen! Das kann ich euch sagen: Den Kerl erwische ich. Zwölf Bananen! Den Sauhund kriege ich, und dann drück ich ihm noch mal zwölf Bananen in den Arsch!«
    Er riß die Tür zum Obst- und Gemüsebunker auf, nahm zwölf Bananen von einer Staude und warf sie Theo Hanf zu, der sie grinsend auffing und in den Karton legte.
    »Jetzt stimmt's, Wächter aller Nahrung«, sagte Hanf, stemmte sich den Karton auf die Schulter und ging zum Lastenaufzug zurück. Sein Kollege folgte ihm mit dem anderen Karton. Mit zusammengekniffenen Augen sah Faster ihnen nach, warf dann die Tür zu und stampfte in seinen Glaskasten zurück. Erst dort merkte er, daß er vor lauter Aufregung vergessen hatte, den Bananenausgang quittieren zu lassen. Auch das noch!
    Schwer ließ er sich auf seinen Stuhl fallen, legte die geballten Fäuste gegeneinander und starrte vor sich hin. Es war das erstemal seit zehn Jahren, daß aus seinem Magazin, unter seinen Augen etwas gestohlen wurde. Das war das Erniedrigendste überhaupt: Er hatte hier vor seiner großen Scheibe gesessen, von der aus man alle Türen, den ganzen langen Gang, also das ganze Magazin übersehen konnte, er hatte die Bananen selbst herausgeholt und gezählt – und während er hier saß, hatte man ihn beklaut, und er hatte es nicht gemerkt. Für Rudi Faster war das, als säße er nun nackt vor aller Welt und jeder dürfte über ihn lachen.
    Nach einer Viertelstunde dumpfen Brütens hatte sich Faster durchgerungen, den Diebstahl von 12 Bananen dem Oberzahlmeister, seinem direkten Vorgesetzten, zu melden. Er wußte im voraus, was Herbert Losse antworten würde: »Mann, Faster, machen Sie doch aus dusseligen 12 Bananen keine Affäre!« Und er, Faster, würde antworten: »Herr Losse, heute sind es Bananen , morgen ist es Käse, übermorgen ein Schweinefilet

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