Der Klabautermann
und nächste Woche Kaviar. Und ich bin verantwortlich für das Magazin, ich allein. Nicht die Reederei beklaut man, sondern mich! Ich brauche noch einen Mann, Herr Losse. Wenn alle Abteilungen abholen, sind wir zu wenig Augen.«
»Aber jetzt, bei den Bananen, da war doch kein Betrieb. Da waren Sie doch allein, oder nicht?«
Ja, genau so würde die Unterhaltung ablaufen, und Oberzahlmeister Losse hatte recht: Er war allein gewesen und hatte nichts gesehen …
So etwas ist unbegreiflich, dachte Faster, als er seine Jacke anzog, um korrekt bei Losse zu erscheinen. Das ist unerklärlich.
Bevor er nach oben fuhr, zum Hauptdeck, ging er noch einmal alle Türen ab und kontrollierte sie. Alle verschlossen. Da holte man nichts mehr raus.
Als der Lift nach oben fuhr, war es Faster, als habe sich seine Welt von einer Minute zur anderen verändert.
Die Bäckerei und Patisserie an Bord eines Luxusschiffes ist eine Einrichtung, in der kulinarische süße Kunstwerke entstehen.
Wer jemals auf einem Schiff ein Gala-Büfett erlebt hat, diese Torten und Törtchen, Petit fours, Marzipanskulpturen – anders kann man sie nicht nennen –, Schokoladenbildwerke, Gebäckphantasien und langstielige Marzipanrosen, die schlicht als Dessert angeboten werden, der wird bestätigen, daß hier Künstler am Werk waren, die aus Mehl, Wasser, Früchten, Schokolade, Fett und Marzipanmasse Träume für Augen und Magen schufen.
Wenn man so eine Schiffsbäckerei betritt, glaubt man nicht, auf hoher See in der Nähe des Äquators zu schwimmen. Da kneten Teigmaschinen die Teige, in riesigen Elektroofen backen Brote und Brötchen – jeden Tag 4.000 Brötchen –, da werden Torten gestaltet und verziert, reihen sich Hunderte von Törtchen und Teilchen aneinander, kühlen auf den Blechregalen Plätzchen und anderes Gebäck aus, und über allem liegt ein Duft von frischem Brot, der einen Speichelsee im Mund erzeugt.
So sieht es der neugierige Passagier, wenn er bei der Schiffsbesichtigung auch zur Bordbäckerei kommt. Ein Gaumenparadies.
Ganz anders sah es Kristof Basziniowski, den man seit acht Jahren wegen seines zungenbrechenden Namens an Bord nur Bumski nannte. Er hatte sich daran gewöhnt, so wie die anderen sich an sein hartes Deutsch gewöhnt hatten, das er noch immer sprach. Zwölf Jahre Deutschland … mit der Sprachbegabung eines Polen hatte er schnell die Sprache seines Gastlandes gelernt, aber unmöglich war es, den ostischen Akzent abzulegen. Warum auch? Bumski genannt zu werden, konnte man hinnehmen; viel schlimmer war es damals gewesen, als er von Polen in den Westen gekommen war und man ihn Pollack oder Pimmock schimpfte. Das hatte ihm weh getan, aber er war damals ein armer Mensch ohne Zukunft, und er hatte stumm den Kopf gesenkt.
Das war nun anders. Der Bäcker und Konditor Basziniowski hatte in Hamburg eine Stelle gefunden, arbeitete von morgens um drei bis nachmittags um fünf und gewann bei einem Konditorwettbewerb den 1. Preis mit seiner selbst erfundenen Torte ›Weichselherbst‹. Eine Kombination aus Blätterteig, Sahne, Weichselkirschen, Schokoladentrüffeln, Obstgelee und doppelt gebranntem, weichem Kirschwasser. Schon diese Aufzählung macht lüstern.
Nach diesem Sieg wurde der Oberzahlmeister Losse auf den polnischen Backkünstler aufmerksam, machte ihm ein Angebot, und Bumski heuerte auf dem Luxusschiff an. Dort modellierte er nun seit acht Jahren die phantastischsten Tortengebilde, war der Schöpfer der bei jedem Gala-Büfett beklatschten Rosen aus Marzipan und war, genau wie Magazinverwalter Rudi Faster, auf dem Schiff zu Hause. Es war seine Heimat geworden – die Bäckerei, die Kabine 619 auf Deck C und die weite Welt, in der er herumfuhr. Von San Francisco bis Shanghai, von Kapstadt bis Feuerland, von Singapur bis Sidney. Was konnte das Leben mehr bieten?
An diesem Tag stand Bumski – bleiben wir bei diesem Namen – an der Ausgabetheke der Bordbäckerei und schob die Bleche mit Fruchttörtchen vom Kühlregal auf die Thekenplatte. Im Salon und auf den Decks wurde in einer halben Stunde die Kaffeestunde eröffnet, wie jeden Tag … Kuchen, Torten, Teilchen, Törtchen. Es ist unheimlich, was Passagiere auf einem Schiff essen können: Frühstück, zweites Frühstück an Deck, Mittagessen, Kaffeestunde, Abendessen, Nachtbüfett. Man wundert sich oft, warum am Ende einer solchen Seereise noch Kleider und Anzüge leidlich passen und die Passagiere nicht mit ihren Kleidungsstücken überm Arm das Schiff verlassen.
Um
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