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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frachtschiffsreederei, vornehmlich im Küstengebiet eingesetzt, verkaufte drei ihrer unrentablen Schiffe, und von Sollner vermittelte sie umgehend an einen afrikanischen Staat. Gewinn? Schweigen wir darüber.
    Wer sich freut über solche Abschlüsse, hat ein Recht, diesen Erfolg zu begießen. Friedhelm von Sollner war kein Trinker, ganz und gar nicht. Zu Hause, während seiner Verhandlungen, trank er keinen Tropfen. »Alkohol?« sagte er einmal, »entweder macht er euphorisch oder dumm; beides ist schlecht fürs Geschäft.« Aber hier auf dem Schiff nach Singapur nicht mehr als Konsul, sondern als ein Mensch, der statt in gestreiftem Anzug mit Schlips jetzt in Badehose oder in weißen Shorts umherläuft, war er so frei, einen großen Auftrag gebührend zu feiern.
    Wen wundert es, daß von Sollner nach drei Gläsern Mai-Tai, zwei Wodkas und einer halben Flasche Champagner den unbändigen Drang verspürte, an die frische Luft zu kommen und tief einzuatmen? Er sah zwar noch alles klar, erkannte alle Personen an der Bar, verstand ihre Gespräche, nahm sogar mit etwas schwerer Zunge daran teil und kaute an den Worten herum, doch wurde ihm selbst bewußt, daß er die Grenze seiner Aufnahmefähigkeit erreicht hatte und frische Seeluft das beste sei, was er sich jetzt antun konnte.
    Auf dem Weg zu seiner Kabine – Sonnendeck natürlich, teuerste Kategorie – machte er im Lift halt beim Promenadendeck, stieß die Glastür auf und schwankte hinaus auf Deck. Dort umklammerte er den Handlauf der Reling, saugte tief die frische Nachtluft ein, sah sich um, fand sich um diese Zeit allein und breitete weit die Arme aus, als wolle er den Sternenhimmel umarmen.
    So pumpte er wie ein Maikäfer Luft in sich hinein, fühlte sich sichtbar wohler und widerstand tapfer dem Gedanken, in die Bar zurückzukehren und in aller Stille seinen Erfolg weiter zu feiern.
    Die Handlungen eines Angetrunkenen sind oft rätselhaft und mit Logik nicht mehr zu erklären. Auch von Sollner handelte konträr seinem Willen, in die Kabine zu fahren: Er stieg die Treppe am Ende des Promenadendecks hinauf zum Panoramadeck, wo auch, etwas erhöht, der Landeplatz für einen Hubschrauber gekennzeichnet war. An dieser Stelle war der Wind stärker; man merkte hier, daß das Schiff mit 19 Knoten durch den Ozean rauschte. Die Haare flogen einem vom Kopf, und es war kälter als auf der windgeschützten Promenade.
    Von Sollner zelebrierte wieder dreimal seine Atemübung mit ausgebreiteten Armen, wurde noch klarer im Kopf und fragte sich dann selbst, warum er eigentlich nachts, bei diesem Fahrtwind, auf das Panoramadeck gestiegen war. Der halbe Champagner war zuviel gewesen, man hätte bei dem Mai-Tai bleiben sollen – das war's. Aber nun war der Kopf frei, und der Gedanke an sein hart gefedertes Kabinenbett trieb ihn wieder abwärts.
    Er stieß sich von der Reling ab und warf dabei zufällig einen Blick hinauf auf den Signalmast. Lautlos drehten sich dort die riesigen Radarbalken, angestrahlt von einigen starken Scheinwerfern. Ein imponierender Blick vom Deck auf diese Radarriesen.
    Aber Friedhelm von Sollner schien das anders zu sehen. Er erstarrte plötzlich, seine Augen wurden glasig, dann flog ein Ruck durch seinen Körper, er warf sich herum und rannte weg zur Treppe, als verfolge ihn ein Raubtier.
    Er rutschte fast die Stufen hinunter, landete auf dem Podest hinter der Brückennock, überstieg die Sperrkette und stürzte in den Steuerraum.
    Der Wachoffizier Hartmut Lüders und der Rudergänger, die beide allein um diese Stunde Dienst auf der Brücke hatten, fuhren herum und sahen den Eindringling verblüfft an. Der Passagier machte den Eindruck eines völlig Verwirrten, und tatsächlich brauchte von Sollner auch ein paar pfeifende Atemzüge, bis er stottern konnte:
    »… Ich habe … ich habe … dort oben …«
    »Guten Morgen!« sagte der Wachhabende höflich. Es war 2.19 Uhr morgens. »Darf ich Sie trotzdem darauf aufmerksam machen, daß das Betreten der Brücke für Passagiere untersagt ist.«
    »Da oben …«, stammelte von Sollner und hob beide Arme hoch. »Oben … am Signalmast … ich schwöre Ihnen … ganz deutlich … der Klabautermann!«
    »Was Sie nicht sagen.« Lüders lächelte höflich. Junge, hat der einen geladen, dachte er. »Wie sah er denn aus?«
    »Dunkel … schwarz … ja schwarz …« Von Sollner schluckte mehrmals. Die Erregung verkrampfte seine Kehle. »Ein … ein massiger Körper, wie ein großer Schatten … Er turnt am Signalmast

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