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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um Bierseidel und Handgelenk allerdings hielt sie für ausgesprochen kindisch. »Erzählen Sie mir mehr vom Klabautermann, Herr Hallinsky.«
    »Mehr? Da gibt's kein Mehr. Das war alles. Er ist an Bord. Wir können nur noch abwarten, was weiterhin passiert.«
    »Man wird ihn doch hoffentlich fangen?«
    »Kaum. Er ist unsichtbar … ein Geist …«
    »Geister können keine Liegestühle wegtragen oder Bier trinken.«
    »Das reicht nun schon in die Parapsychologie hinein, in die vierte Dimension. Denken Sie an die Schloßgeister, vornehmlich in den alten englischen Schlössern. Da fallen Bilder von den Wänden, gehen Türen auf und zu, klirren Ketten, werden Gardinen zerrissen und heult es durch die Gemäuer.«
    »Aber Bier hat noch kein Schloßgeist getrunken.«
    »Das macht mich ja so betroffen, Baronin.« Hallinsky wartete, bis Jean Kaffee und Kuchen serviert hatte, und sprach dann weiter. »Er muß sich materialisieren können. Haben Sie eine Ahnung, ob es eine Klabautermann-Forschung gibt?«
    »Mir völlig unbekannt.« Die Baronin nippte an dem heißen Kaffee, aß ein winziges Stück Kuchen und blickte dann Hallinsky forschend an. »Sagen Sie: Glauben Sie wirklich an diesen Unsinn?«
    »Bis vor einer halben Stunde nicht.«
    »Aber jetzt?«
    »Man wird unsicher, Baronin. Was ist, wenn gleich wieder Ihr Liegestuhl zusammengeklappt in einer Ecke steht?«
    »Ich habe ihn im Blick, er steht noch da. An einen Geist glaube ich erst, wenn sich vor meinen Augen der Stuhl zusammenklappt, bewegt von einer unsichtbaren Kraft.«
    »Und dann?«
    »Dann verlasse ich im nächsten Hafen sofort das Schiff!«
    »Das wäre Singapur. Bis dahin sind's noch einige Tage. Da kann noch allerhand passieren.«
    »Du lieber Himmel! Sie bekommen es fertig, mir diesen Klabautermann noch einzureden!« Die Baronin trank wieder einen kleinen Schluck Kaffee. »Ich bin eher geneigt, anzunehmen, daß sich ein unbekannter Flegel mit uns billige Scherze erlaubt. Sie werden sehen, von jetzt an hört das auf. Nichts wird mehr geschehen.«
    Aber das war ein Irrtum.
    Schon in der kommenden Nacht sorgte der Klabautermann für neue Unruhe an Bord.
    Friedhelm von Sollner war im täglichen Leben eine Respektsperson. Nicht, weil er adlig war – davon gibt es viele –, sondern weil er in sieben Aufsichtsräten saß, Honorarkonsul eines afrikanischen Staates war und einen Exporthandel aufgebaut hatte, der alles in alle Welt verkaufte, was man in Deutschland ablegte: ausrangierte Lokomotiven, Lastwagen, Spezialfahrzeuge wie Abräumbagger, Stanzen und Automaten, Kräne und Industriemaschinen – einfach alles! In Fachkreisen munkelte man sogar: Waffen. Aber das hatte ihm noch keiner nachgewiesen, und wer es tatsächlich wußte, schwieg natürlich. Seine Geschäfte wickelte er meistens per Telefon ab, ohne jemals die Ware gesehen zu haben. Stieß die Bahn zehn Elektroloks ab, kaufte sie von Sollner sofort, telefonierte mit Südamerika und hatte sie nach zehn Minuten wieder verkauft. Über den Gewinn dieser zehn Minuten sprach er nicht, den kannte nur sein Finanzamt. Wen wundert es, daß der Vorsteher des Finanzamtes öfter sein Gast war, zumal dieser auch als Kassierer des Kreisverbandes einer großen Partei fungierte.
    Zweimal im Jahr gönnte sich von Sollner eine Kreuzfahrt. Er gehörte zu den Repeatern, den Stammgästen, auf deren Wohlwollen die Betreiber der Luxusschiffe weitgehend angewiesen sind, denn nichts ist wichtiger für eine Seereise als Mundpropaganda und die ständige Wiederkehr alter, bekannter Gäste. Es gibt Kreuzfahrten, etwa durch den Südpazifik oder nach Alaska, wo mindestens ein Drittel des Schiffes aus Repeatern besteht. Man kommt sich geradezu familiär vor.
    Auf einem Schiff konnte sich von Sollner richtig ausruhen, legte den Konsul ab und war Mensch unter Menschen – soweit das in einer Gesellschaft von Luxuspassagieren überhaupt möglich ist. Außerdem stand er in ständiger Telefonverbindung mit seiner Zentrale in Essen, ließ sich jeden Tag die Aktienkurse durchsagen, kaufte und verkaufte, gab Anweisungen und verdiente so auch auf dem Schiff unbekannte Summen. Per Telex hielt er sein Büro in Trab, aber das waren nur zehn Minuten am Tag. Die andere Zeit vertauschte er mit der Freude, unbekannt unter lieben Menschen zu sein, die so wie er den Alltag für ein paar Wochen ablegten.
    Der Kontakt mit seiner nun weit entfernten Zentrale hatte ihm, mitten in der Java-See schaukelnd, einen bemerkenswerten Auftrag gebracht: Eine kleinere

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