Der Klang Deiner Gedanken
B-17 in einem langen Bogen, bis die Propellerwinde ihr die Locken zerzausten.
Daisys braunes Haar zerrte an ihrer roten Haarschleife. „Allegra?“
„Ähm, richtig. Lustig, oder?“
Daisy sah zwischen Allie und der B-17 hin und her. Auf ihren Lippen formte sich ein wissendes Lächeln. „Allegra Miller.“
„Ja, aber alle nennen mich Allie.“ Sie versuchte sich mangels freier Hände die Locken aus dem Gesicht zu schütteln. Wieso war Daisy so fasziniert von ihrem Namen?
„Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen? Mein Vater hat deinem Piloten geholfen, dich zu finden.“
Allie sah Daisy verwirrt an.
„Hattest du nicht vor Kurzem Besuch von zwei Piloten?“
Verdutzt blieb Allie wieder stehen. „Das stimmt. Mein Freund Walt und einer seiner Freunde, aber woher wusstest du ...“
„Oh, das ist ja so romantisch“, sagte Daisy und trippelte zu Allie. „Lass mich raten: Er ist ganz locker aus Dads Taxi gestiegen und hat kein Wort darüber verloren, dass sie zwei Stunden lang euer Haus gesucht haben. Ist das nicht typisch Mann?“
„Zwei Stunden?“ Allie kämpfte gleichzeitig mit dem Wind und dem, was Daisy gesagt hatte.
„Er wusste deine Adresse nicht. Hatte sie verloren. Auch typisch Mann.“ Daisy stieg die Stufen zum Krankenhaus hinauf, und Allie bemühte sich, ihr zu folgen. „Also stieg er in Dads Taxi und gab ihm eine Seite, die er aus dem Telefonbuch herausgerissen hat – alle Millers aus Riverside. Und das sind nicht wenige. Ein Telefonbuch zu zerreißen ist nicht gerade die feine Art, aber ich verzeihe ihm. Schließlich meinte er, er müsse dich unbedingt finden, bevor er wieder abfliege. Unbedingt .“
Walt hatte sie gesucht? Allie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts heraus.
„Er wusste, dass ihr reich seid. Das engte die Suche schon etwas ein. Aber in Riverside gibt es ja jede Menge angeberische Ecken, stimmt’s?“
Die Erwähnung ihres Reichtums ließ Allies Wangen kribbeln.
Ein Sanitätssoldat hielt den Frauen die Tür auf.
„Dad fing vorne im Alphabet an. Irgendwann hat er aufgehört, die Häuser mitzuzählen. Zwei Stunden hat es gedauert, bis er dich gefunden hat. Mein Dad hat sich natürlich über den Fahrpreis gefreut, obwohl er den beiden einen ordentlichen Nachlass gegeben hat. Schließlich war die ganze Sache so süß. Ach, Daddy ist einfach ein alter Teddybär mit einem großen Herzen. Und dein – Walt? – ist wohl aus demselben Holz geschnitzt.“
Das Kribbeln breitete sich auf Allies Arme und Oberkörper aus. Zwei Stunden? Stanley Miller – das war wirklich gegen Ende der Liste. „Ja, Walt ist ein toller Mann.“ Dann schüttelte sie den Kopf und vertrieb das Kribbeln. „Aber ... nicht meiner. Er ist nur ein Freund.“
Daisy warf Allie einen vielsagenden Blick zu. „Ein Freund.“
„Das kannst du ihr glauben, Liebes. Kannst du ihr glauben.“ Cressie ging ihnen voraus durch die Eingangshalle, in der Männer in Grüppchen zusammenstanden, sich unterhielten und rauchten.
Allie überlegte sich gerade eine Erklärung, als sie erschrocken nach Luft schnappen musste. Vor ihr saß ein Mann im Rollstuhl, ein Bein über dem Knie amputiert, das andere darunter. Der Mann neben ihm hatte einen hochgeklappten Ärmel, der einen Armstumpf verdeckte.
Als ob er ihre unbewusste Reaktion gehört hätte, sah der Mann im Rollstuhl Allie an. Es war in der Eingangshalle sicher zu laut dafür, aber trotzdem überkamen sie Schuldgefühle. In einem Militärkrankenhaus sollte sie mit so etwas rechnen.
Um es wiedergutzumachen, lächelte sie ihn und seinen Begleiter höflich an. „Guten Tag.“
„Guten Tag, Miss.“ Der Mann im Rollstuhl legte ein breites Grinsen auf, das seine fehlenden Beine vergessen machte. Der andere lehnte sich an die Wand und zog an seiner Zigarette. „Ich hoffe doch, es ist Miss und nicht Ma’am ?“ Dann zwinkerte er Allie zu.
Beinahe hätte sie ihren Deckenstapel fallen gelassen. Machte er sich über sie lustig? War das ein Flirtversuch? Oder wollte er nur nett sein? Das Lächeln in seinem Gesicht war echt, also beschloss sie, dass es Letzteres sein musste. Sie lächelte schnell zurück und beeilte sich, hinter Cressie und Daisy herzukommen. Eine kleine Geste – ein Lächeln und ein Gruß – hatte den beiden Männern den Tag verschönert, und ihr auch.
Die drei Frauen gingen einen Korridor entlang, in dem es beißend nach Desinfektionsmittel roch, und traten dann in ein Büro. Auf einem großen Poster an der Wand war ein
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