Der Klang der Sehnsucht - Roman
Tür zu Boden.
Im Nachhinein erinnerte sie sich an die Hände auf ihren Armen, an die erschrockenen Ausrufe angesichts ihrer Kleidung und an Ganga Ba, die endlich zu ihr durchdrang. Ganga Ba verscheuchte die Gaffer mit einigen passenden Worten, während Brahmanji Malti ins Haus trug.
Ganga Ba ließ Malti in ihr eigenes Bad bringen, wo sie auf den kalten, harten Kacheln saß, während jemand einen Eimer mit dampfend heißem Wasser füllte. Ihre Zähne klapperten, als ein Mädchen ihre ölige Haut abseifte und sie behutsam mit heißem Wasser wusch. Sie fror. Und fühlte sich beschmutzt. Nichts und niemand konnte dieses Gefühl ändern.
Nach dem Bad gab Ganga Ba ihr einige weiche, warme Kleidungsstücke, packte sie ins Bett und befahl ihr zu schlafen. »Aber es ist meine Schuld. Alles ist meine …«
»Schsch«, beruhigte Ganga Ba Malti und legte ihr die Hand auf den Kopf, als wäre sie ihre Mutter. »Das spielt jetzt keine Rolle. Schlaf.«
»Aber das Baby …«
Ganga Ba hielt inne. »Dem Baby geht es gut. Ich werde für alle Fälle den Vaid rufen. Zum Glück ist er noch in Hastinapore. Schlaf jetzt. Das ist im Augenblick für dich das Beste. Dem Vaid kannst du vertrauen. Er weiß immer, was zu tun ist. Genau wie ich.«
*
»Beti, komm wieder nach Hause. Bitte.« Vimu Bas Stimme zitterte.
Malti saß auf dem Diwan. Sie trug noch die Sachen von Ganga Bas Tochter. Vergessene Kleidungsstücke, eigentlich zu abgetragen, um sie aufzuheben, aber auch noch zu gut zum Wegwerfen. Malti wusste, dass ihre Schwiegereltern schon am Abend zuvor hier gewesen waren und Ganga Ba sie abgewiesen hatte. »Sie waren wirklich sehr besorgt«, hatte sie ihr am Morgen berichtet, »aber ich wollte dich nicht wecken. Du hattest weiß Gott genug durchgemacht.«
Malti hätte ohnehin nicht gewusst, was sie ihnen hätte sagen sollen, und die Nacht hatte daran nichts geändert. Alles, was sie empfand, war tiefe Leere und überwältigende Müdigkeit. Plötzlich war alles zu anstrengend geworden.
Der Vaid war noch im Haus, als ihre Schwiegereltern erneut vorsprachen. Auf seine unausgesprochene Frage, ob sie lieber allein mit ihnen sein wolle, schüttelte sie den Kopf.
Vimu Ba und Papaji wirkten gealtert, hatten Kummerfalten, die zwei Tage zuvor noch nicht da gewesen waren. Vimu Ba saß steif und ungelenk auf der Stuhlkante und rutschte ständig hin und her. »Wir werden alles wieder in Ordnung bringen, Beti. Es wird alles gut, wenn du nur wieder nach Hause kommst. Du weißt nicht, was die Leute reden. Bitte.«
Malti konzentrierte sich auf Vimu Bas Hände, die den Pallav ihres Sari kneteten, und Papajis Füße, die er ständig unruhig übereinanderschlug. »Ich habe kein Zuhause. Nicht mehr.«
Vimu Ba rang nach Luft. »Aber wie kannst du so etwas sagen? Ich habe dich doch lieb. Wir haben dich lieb. Du bist wie eine Tochter für mich. Habe ich mich nicht um dich gekümmert? Nie habe ich dir das Leben zur Hölle gemacht, wie so viele Schwiegermütter es tun.«
»Ja …«, setzte Malti an, aber Ganga Ba unterbrach sie.
»Was würden Sie Ihrer Tochter sagen, wenn ihr eigener Ehemann versucht hätte, sie anzuzünden – aus welchem Grund
auch immer. Würden Sie ihr raten, zu ihm zurückzugehen?« Sie klang ärgerlich.
»Ja, das würde ich«, entgegnete Vimu Ba. »Wir werden alles wieder in Ordnung bringen. Das verspreche ich, Sie werden schon sehen.«
»Es tut mir leid.« Maltis Worte gingen fast in Vimu Bas Schluchzen unter. Sie zwang sich, ihrem Blick standzuhalten. »Es tut mir leid«, wiederholte sie, als würden die Worte etwas ändern.
»Sag mir«, bat Papaji, als sie aufstanden, »gibt es irgendetwas, das wir tun können? Damit du es dir anderes überlegst?«
»Nein, Papaji. Ich …« Sie brach ab und begann von neuem. »Ich werde euch nicht daran hindern, das Kind zu sehen, wenn ihr es sehen möchtet. Ich werde nicht weit fortziehen. Aber ich will nicht, dass er noch einmal in meine Nähe kommt.«
Vimu Ba zitterte am ganzen Leib. »Unser Enkelkind?«
Papaji blickte zu Malti hinunter. »Ist es wirklich unser Enkelkind?«
Malti sah ihm zum ersten Mal ins Gesicht. Ihr wurde klar, dass diese Frage sowie ihre mögliche Untreue für ihn wahrscheinlich von größerer Bedeutung waren als das, was sein Sohn ihr – nicht nur vor wenigen Tagen, sondern während ihrer ganzen Ehe – angetan hatte.
Sie hatte immer vermutet, dass ihre Schwiegereltern nicht wussten, wie er war. Doch nun erkannte sie, dass es ihnen in einem so kleinen Haus
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