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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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entfernte die Klarsichtfolie von einer Salatschüssel. Ein paar von Kittys Freunden waren aus dem Wasser gekommen, trockneten sich ab oder lungerten hoffnungsvoll in der Nähe des Buffets herum.
    »Ich kenne leider keine Judy-Garland-Songs«, sagte Isabel. »Da drüben sind noch mehr Handtücher, wenn ihr was braucht.«
    »Spielen Sie nur klassische Musik?«, erkundigte sich Asad, während er die Servierlöffel neben die Schüsseln legte. Er warf sich eine Olive in den Mund.

    »Ja. Aber das muss deshalb nicht langweilig sein.«
    »Ich glaube nicht, dass klassische Musik dasselbe emotionale Drama bietet wie ein guter Musical-Song«, überlegte Henry. »Ich meine, ich glaube nicht, dass sie mich zu Tränen rühren würde.«
    »Emotionales Drama? Mr Ross, Sie sind falsch informiert.«
    »Wie? Sie glauben doch nicht etwa, dass Sie mich zum Weinen bringen können? Mit Ihrer Geige?«
    Isabel lachte. »Härtere Männer als Sie sind bereits unter meinem Bogen dahingeschmolzen.«
    »Also gut.« Henry nahm ein Geschirrtuch. »Ich werfe hiermit den Fehdehandschuh. Tun Sie Ihr Schlimmstes. Wringen Sie mich richtig aus.«
    »Ach, ich bin außer Übung. Ich habe seit Monaten nicht mehr richtig gespielt.«
    »Uns egal.«
    »Aber meine Geige ist in der Küche.«
    Henry bückte sich und holte den Geigenkasten unter dem Tisch hervor.
    »Nicht mehr.«
    »Ich hab das Gefühl, dass man mit mir gespielt hat.«
    Die beiden Männer glucksten.
    »Wir mussten doch dafür sorgen, dass wir eine kleine Privatvorstellung kriegen«, sagte Henry. »Ist ja nicht so, als ob Sie Eintrittskarten verkauft hätten. Also los. Eine kleine Kostprobe. Es wäre doch unhöflich, am Geburtstag Ihrer Tochter nicht zu spielen.«
    Isabel klemmte sich die Geige unters Kinn. Dann zog sie den Bogen über die Saiten und ließ die ersten Noten von Elgars Violinkonzert in b-Moll erklingen.
    Sie erhaschte noch einen Blick auf Asads und Henrys hingerissene Gesichter, dann schloss sie die Augen und überließ sich der Musik. Sie spielte auswendig und hoffte, das Stück
nicht vergessen zu haben. Und während sie spielte, kam ihr der Gedanke, dass diese Geige doch nicht so schlecht war. Sie sang von ihrer Traurigkeit, dieses Haus verlassen zu müssen, ihrer Trauer um ihren Mann, oder den Mann, für den sie ihn gehalten hatte. Sie sang davon, dass man jemanden vermissen konnte, von dem man gar nicht vermutet hatte, dass man ihn vermissen würde.
    Sie schlug die Augen auf und sah, dass Kittys Gäste aus dem Wasser kamen, sich aufs Gras setzten und stumm, ja gebannt zuhörten. Als sie mit dem ersten Satz fertig war, drehte sie sich ein wenig. Und da sah sie ihn zwischen den Bäumen stehen. Einen Moment lang war sie nicht sicher, ob sie nur träumte, oder ob er wirklich gekommen war. Er hob die Hand und grüßte. Da breitete sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus, rückhaltlos, ehrlich.
    Henry und Asad drehten sich um, um zu sehen, worüber sie sich so freute, und dann schubsten sie sich verstohlen.
    Auch er strahlte bei ihrem Anblick. Er war zwar nicht ihr Mann, er war nicht Laurent, aber das machte jetzt nichts mehr.
    »Du bist gekommen«, sagte sie und ließ die Geige sinken. Er wirkte müde, aber zufrieden. Die neue Arbeit hatte etwas in ihm eingerenkt, in Ordnung gebracht.
    »Ich hab ein Geschenk für Kitty dabei«, sagte er. »Meine Schwester hat’s ausgesucht. Ich weiß wirklich nicht, was Mädchen heutzutage mögen.«
    »Es wird ihr ganz bestimmt gefallen«, sagte Isabel. Sie konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. »Ich bin so froh, dass du’s doch noch geschafft hast. Ehrlich.«
    Er war auf einmal ganz anders, nicht mehr scheu und verdrückt. Aufrecht stand er da.
    »Ich auch«, sagte er.
    Jetzt, wo er nicht mehr in Matts Schatten stand, war er regelrecht beeindruckend, fand sie.

    Beide standen einander gegenüber und starrten sich an. Die neugierigen Blicke ihrer Zuschauer bemerkten sie nicht.
    »Schon gut, schon gut«, sagte Henry und wedelte mit der Hand. »Setz dich, Byron. Sie muss doch deinetwegen nicht gleich zu spielen aufhören. Ich kam grade so richtig in Stimmung.«
    Byron grinste. »Sorry«, sagte er. »Wo ist Thierry?« Sein Blick hatte sich keine Sekunde von Isabel abgewandt, und sie spürte, wie sie rot wurde.
    Sie hob die Geige an die Schulter. »In der Küche oder im Heizungskeller oder sonst wo. Er baut sich eine Höhle.«
    Byron hob eine Augenbraue. Das Thema war nicht länger peinlich, sondern eher lustig.
    Er setzte sich ins Gras und streckte

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