Der Klang des Herzens
ein sündteures französisches Cremeschaumbad. Über dem Wannenrand hing ein flauschiges, neues Badetuch. Vor der Wanne lag fein sauber eine Badematte. Kitty hob die Flasche auf, schraubte den Deckel ab und schnupperte. Mmh, himmlisch.
Sie stopfte das Abflussloch mit dem funkelnden Messingstöpsel zu und drehte das Wasser auf. Heiß und brausend strömte es in die Wanne. Dampfwolken stiegen auf, die Spiegel beschlugen. Kitty sperrte die Tür ab, schlüpfte aus dem Badeanzug und wickelte sich wieder in das alte Badetuch. Sie wollte nicht, dass das schöne neue Handtuch grüne Schmierer kriegte. Sie trat ans Fenster, während sie darauf wartete, dass die Wanne volllief.
Ihre Mutter war dabei, diverse Platten auf dem langen Tisch zu verteilen. Sie unterhielt sich dabei mit Asad, der gerade einen Salat machte. Henry nippte an einem Glas Wein und rief einer Gruppe von Mädchen, die im See planschten, etwas zu, das sie zum Lachen brachte. Er warf ihnen einen Ball zu und sagte dann leise etwas zu ihrer Mutter, die ebenfalls in Lachen ausbrach. Ein richtiges Lachen, sie warf den Kopf zurück, so wie früher, als Dad noch gelebt hatte.
Kitty spürte, wie ihre Augen, wie fast immer, wenn sie an Dad dachte, zu brennen begannen. Aber alles war gut. Zum ersten Mal seit dem Tod ihres Vaters hatte Kitty das Gefühl, dass alles gut war. Mum hatte sich verändert, war eine richtige Mum geworden; man konnte sich auf sie verlassen.
Und sie, Kitty, konnte wieder einfach nur sechzehn sein.
Sie sah Thierry, der sich mit einem Teller Essen davonschlich. Sie sah, wo er hinwollte: zum Heizungskeller. Sie
schlug ans Fenster, um ihn auf sich aufmerksam zu machen, und als er aufblickte, schnitt sie ihm eine Grimasse, um ihm zu zeigen, dass sie wusste, was er tat. Er streckte ihr die Zunge raus, und sie musste lachen. Das Wasser rauschte so laut, dass sie es selbst kaum hörte.
Plötzlich ertönte ein scharfes, reißendes Geräusch, und Kitty sprang erschrocken zurück.
Sie wirbelte herum und sah das Laken flattern, das ihre Mutter vor das Loch in der Wand gehängt hatte. Der Krach kam offenbar von nebenan. In diesem Moment schob Matt McCarthy das Laken beiseite und spähte zu ihr hinein.
»Was … was machen Sie da?«, kreischte sie und wickelte sich fester in ihr Handtuch.
Er zog den Kopf ein und trat durchs Loch, rieb sich mit einer staubigen Hand übers Haar.
»Ich werde dieses Loch wieder zumachen«, verkündete er ruhig. Er war unrasiert, und sein Werkzeuggürtel hing schief an seiner Hüfte.
Kitty wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Matt, Sie können nicht hier drin bleiben. Ich wollte gerade ein Bad nehmen.«
»Ich muss das wieder in Ordnung bringen. Dieses Zimmer war schön. So kann’s nicht bleiben.«
Ihr Herz hämmerte so laut, dass es sogar das Rauschen des Badewassers übertönte. Sie warf einen raschen Blick auf ihren Badeanzug, der am Boden lag, und wünschte, sie hätte was unter dem Handtuch an.
»Bitte, gehen Sie, Matt.«
»Es dauert nicht lange.«
Er ging in die Hocke und fuhr mit dem Finger über die Ränder des Lochs. »Ich muss das hier nur rasch zumachen. Würde wohl nicht viel taugen, wenn ich euch mit einem Loch stehen ließe, was?«
Kitty machte einen Schritt zur Tür hin.
Er erhob sich. »Keine Sorge, Kitty, ich werde dich nicht stören.« Und er lächelte.
Kittys Unterlippe begann zu zittern. Sie wünschte, ihre Mutter würde raufkommen oder Anthony oder … Irgendjemand musste ihn doch reingehen gesehen haben. Das Bad erschien ihr auf einmal erdrückend klein, als würden die Wände auf sie zukommen. Die Stimmen draußen im Garten waren plötzlich so weit weg, unerreichbar.
»Matt«, sagte sie so ruhig, wie sie trotz ihres Zitterns konnte, »ich möchte wirklich, dass Sie jetzt gehen.«
Er hörte sie gar nicht.
»Matt«, wiederholte sie, »bitte gehen Sie.«
»Weißt du«, sagte er, »du bist wie deine Mutter.« Und er streckte den Arm aus, um ihre Wange zu streicheln.
Da war es um Kittys Selbstbeherrschung geschehen. Sie wirbelte herum, nestelte panisch am Türschloss, riss die Tür auf und rannte die Treppe hinunter. Ob er ihr folgte, wusste sie nicht. Sie stieß ein ersticktes Schluchzen aus.
»Mich braucht ihr nicht zu fragen«, sagte Henry. »Wenn’s um Musik geht, bin ich der reinste Banause. Wenn’s kein tränenreiches Finale hat, ist es völlig an mich verschwendet.«
»Er ist nur einen winzigen genetischen Schritt von Judy Garland entfernt«, bemerkte Asad und
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