Der Klang des Herzens
aber das war ihr egal.
In diesem Moment tauchte Thierry neben ihr auf. »Mum?«
»Nicht jetzt, T.«
»Darf ich mir im Haus eine Höhle bauen?«
Sie zog ihn an sich. Er hatte immer versucht, Byron nachzueifern, doch das hatte sich seit dessen Fortgehen noch intensiviert. Er ging in den Wald, um ihn »auf Stock zu setzen«, brachte mehrere Armvoll Zweige mit, suchte nach etwas Essbarem und nach Feuerholz. Und jetzt die Höhle. Sie konnte ihn verstehen. Auch sie vermisste Byron.
»Willst du nicht mit den andern schwimmen gehen?«
»Nachher.«
»Na gut. Aber wenn du dir eine im Heizungskeller einrichten willst, dann lass bitte nicht mein gutes Geschirr dort liegen.«
Er nickte begeistert und rannte davon. Isabel wandte sich wieder Mr Trent zu.
»Tja, das sind meine Forderungen, Mr Trent. Das ist der Preis dafür, dass ich meine Kinder noch einmal entwurzle und von hier weggehe.«
Er wurde sichtlich rot und polterte: »Mrs Delancey, Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass es ein Vermögen kostet, dieses Haus zu renovieren?«
»Wir leben schon seit Monaten unter diesen Umständen. Es macht uns nichts mehr aus.«
Sie dachte an das Bad, an die Wasserleitungen, die sie heute früh endlich selbst fertig angeschlossen hatte. Als die letzte Schraube festgezogen war, hatte sie den Hahn aufgedreht und zugesehen, wie das zunächst braune Wasser allmählich klar wurde, wie es gurgelnd im Abfluss verschwand. Sie war genauso stolz gewesen, als hätte sie eine besonders schwierige Sinfonie fehlerlos gespielt.
Er starrte auf den Zettel. »Das liegt weit über dem Marktwert.«
»Was ist der Marktwert? Er ist das, was jemand zu zahlen bereit ist. So sehe ich das jedenfalls.«
Es war offensichtlich, dass sie ihn damit verärgert hatte. Aber er wollte das Haus. Und sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht. Sie hatte nachgerechnet, wie viel sie mindestens brauchte, um etwas Anständiges kaufen zu können und um noch ein kleines Polster übrig zu haben.
Und auf diese Summe hatte sie dann noch ordentlich was draufgeschlagen.
»Nun, jetzt wissen Sie, wo wir stehen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich muss mich um die Geburtstagsfeier meiner Tochter kümmern.«
Ja, es war wie mit Mr Cartwright. Bloß, dass sie jetzt genau verstand, worum es ging. Besser, als sich so mancher hätte vorstellen können.
»Ich würde mich gerne noch mal ein wenig umsehen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Nicholas Trent blies die Backen
auf und erhob sich, sammelte seine Papiere zusammen. »Dann komme ich noch mal wieder und sage Ihnen Bescheid.«
Kitty konnte kaum glauben, was ihre Mutter da sagte.
»Du hast es gemacht? Ganz allein? Und das Wasser läuft? Keine Überschwemmung?«
Isabel hob ihre Hände. »Klempnerhände«, sagte sie und umarmte ihre Tochter, die sich in ein altes Handtuch gewickelt hatte. An ihrer Haut und an ihren Haaren klebte grünes Laichkraut. Isabel verschwieg ihr, wie sehr sie sich mit den unverständlichen Diagrammen in den Büchern abgeplagt hatte, wie oft sie geflucht hatte, weil sich die Schrauben und Gewinde nicht bewegen ließen, und wie sie vom spritzenden Wasser ganz nass geworden war.
»Alles Gute zum Geburtstag, Schätzchen. Und ich hab dir auch ein schönes Schaumbad gekauft.«
»Mein Gott, eine richtige Badewanne! Kann ich ein Bad nehmen? Jetzt gleich? Haben wir heißes Wasser und alles?«
»Jetzt?«, fragte Isabel. »Aber deine Gäste …«
Kitty, die in ihrem Handtuch bibberte, schaute wegwerfend zu ihren Freunden hinüber, die lachend und kreischend im See herumspritzten und sich aus den Schlauchbooten schubsten oder wieder hineinhievten.
»Die können schon eine halbe Stunde ohne mich auskommen. Dann könnte ich wenigstens diesen grünen Schleim abwaschen. Mein Gott, ein richtiges Bad!«
Sie sprang wie ein Kind auf und ab.
»Dann geh«, sagte Isabel schmunzelnd. »Ich bereite derweil den Lunch vor.«
Kitty rannte ins Haus und lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Sie würde rasch ein Schaumbad nehmen, sich die Haare waschen und sauber und duftend zum Lunch auftauchen, wenn die anderen grade aus dem See stiegen. Sie riss die Badezimmertür auf und musste grinsen, als
sie sah, was ihre Mutter gemacht hatte. Auf dem Wannenrand stand jeweils eine brandneue Flasche von ihrem Lieblingsshampoo und ihrer Lieblingsspülung, teure Sachen, nicht das billige Zeug aus dem Supermarkt, mit dem sie sich monatelang zufriedengeben musste. Auf dem Boden stand, mit einer roten Schleife,
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