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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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McCarthys, wie gierig sie seien, wie eingebildet. »Die können’s kaum erwarten, das Haus in ihre Finger zu kriegen«, hatte er immer wieder gemault. »Leute wie die glauben doch immer, dass sie ein Recht auf alles hätten.«
    Byron hatte kaum auf sein Geschwätz geachtet. Pottisworth hatte nie ein freundliches Wort für ihn übrig gehabt, hatte nie auch nur ansatzweise gezeigt, dass er ihn mochte, ihn anderen vorzog. Aber darum ging es ja auch gar nicht bei dieser Sache. Das war kein Geschenk. Es war eine letzte Ohrfeige
für die McCarthys, ein letzter Test von Lauras Integrität: Der Alte hatte ihr beide Ausfertigungen gegeben, damit sie sie, wenn sie wollte, vernichten konnte. Ein letzter Stinkefinger für Matt.
    Und die ganze Zeit, dachte er, während sich die Wahrheit wohlig warm in ihm breitmachte, hab ich gedacht, ich wäre ein Einbrecher, ein Eindringling. Hab mich monatelang im Heizungskeller versteckt. In meinem Heizungskeller. Das Haus hat die ganze Zeit mir gehört.
    Das war so absurd, dass er lachen musste. Seine Hunde spitzten die Ohren. Er als Besitzer des Großen Hauses. Bei der Vorstellung wurde ihm schwindlig. Byron, Lord of the Manor.
    Da fiel ihm Isabel ein. Sie würde alles verlieren. Nicht bloß das Haus, auch alles, was damit verbunden war. Ihre Ersparnisse, alles, was sie besaß, hatte sie in dieses Haus gesteckt. Sein Gewinn wäre ihr Verlust.
    Byron ließ sich auf einen umgestürzten Baumstamm sinken, das Testament in der Hand. Er starrte über den See. Nun stand er doch nicht mit leeren Händen da.
     
    Die Kinder hatte sie bei den Vettern gelassen. Sie hatte gesagt, sie wolle einkaufen gehen. Aber statt zum Supermarkt oder zur Bank zu fahren, war sie hierhergekommen, hatte die Abzweigung beim Schild, das zur Schweinefarm wies, genommen und war über den holprigen Waldweg hierhergefahren.
    Sie hatte gedacht, sie würde das Haus nie wieder sehen wollen. Und dennoch war sie hier. Sie musste es einfach sehen. Während sie über den fürchterlichen Feldweg holperte, waren ihr zweimal Zweifel gekommen. Sie hatte umkehren wollen, aber das war das Problem mit dem Weg, der zum Spanischen Haus führte: Sobald man ihn eingeschlagen hatte, gab es kein Zurück mehr.

    Als sie sich der Lichtung näherte, wunderte sie sich über die Helligkeit, die von dort kam. Verwirrt und erschrocken erkannte sie, dass ja jetzt keine Backsteinwände mehr da waren, die die Sonne verdecken konnten. Sie hielt in der Auffahrt, in einiger Entfernung von dem Schutthaufen, der einmal ihr Zuhause gewesen war.
    Bei diesem Anblick lief ihr trotz des warmen Spätnachmittags ein Schauder über den Rücken. Egal, wie oft sie sich auch eingeredet haben mochte, dass es nie ein Zuhause gewesen war, nur ein vorübergehender Unterschlupf, war das Spanische Haus zu einem Teil ihres Lebens, ihrer Familie geworden. Sie hatten Freud und Leid darin erlebt, Hoffnungen, Wünsche, Gefühle, eine ganze Geschichte davon.
    Es jetzt so zu sehen war, als wäre sie selbst eingestürzt, sie und ihre Familie. Es fühlte sich an wie eine persönliche Niederlage.
    Isabel begann zu weinen. Worum sie weinte, wusste sie nicht mehr so genau, aber sie trauerte um das alte Haus, darum, dass da, wo etwas gewesen war, jetzt nichts mehr war als ein Haufen Schutt. Um ein Ende und um einen Anfang, der keiner sein durfte.
    Wie lange sie so stand, wusste sie nicht. Aber irgendwann – es mochte an der Ruhe des Sees liegen oder an den Geräuschen des Waldes – wichen Schock und Verzweiflung einer wachsenden Resignation. Ein Haus war nur ein Haus, und nirgends wurde das deutlicher als bei diesem Anblick, den es jetzt bot: eingestürzt, eingerissen. Es hatte nichts zu bedeuten, es wäre lächerlich, einen tieferen Sinn in seiner Zerstörung zu suchen. Es war nur ein altes, trauriges, ungeliebtes Gebäude gewesen, ein Haufen Backsteine, Mörtel, Balken und Glas. Nichts, das sich nicht ersetzen ließe.
    »Sie können es haben«, hatte sie zu Nicholas Trent gesagt, als er anderntags anrief, um sich zu erkundigen, wie es ihnen nach dieser Katastrophe ging. Er hatte hinzugefügt: »Es
ist mir ernst. Der Zustand des Hauses ist mir nicht wichtig, Sie …«
    »Sie können es haben. Zum angebotenen Preis«, hatte sie ihn unterbrochen. »Aber nur, wenn’s schnell geht. Ich will das Ganze hinter mir lassen.«
    Sie war noch mit den Gedanken bei diesem Gespräch, als sich plötzlich eine feuchte Hundeschnauze in ihre Hand drückte.
    Sie fuhr herum. Und da stand er, nicht weit

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