Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
lösen«, begann Louise.
»W ie geht es dir denn, du Ärmste?« Helena verzog bei ihrem unaufrichtigen Gezwitscher das Gesicht. »Hat dir mein alter Professor helfen können? Er wollte sofort zur Notaufnahme und sich persönlich um dich kümmern. Als ich ihm sagte, wer du bist, hat er einen Arzt im Praktikum gebeten, sich den restlichen Vormittag um seine Patienten zu kümmern, damit er deine Finger versorgen kann.«
»Ich bin geröntgt und verbunden worden und kann vermutlich in ein paar Monaten schon wieder zur Geige greifen. Das Konzert in Hamburg habe ich also noch nicht abgesagt. Mit etwas Glück bin ich bis dahin wieder auf dem Damm. Aber jetzt geht es um die CD -Aufnahme.«
Helena straffte sich und nahm, die freie Hand unter den Arm mit dem Telefon geklemmt, eine konzentriertere Haltung ein. Noch bestand Hoffnung, zumindest konnte sie so tun.
»Denk jetzt nicht an die CD . Wir warten mit der Arbeit, bis du wieder gesund bist.«
»Nein, das geht nicht. Wir schieben nichts auf, denn dann wird die CD nicht bis zur Sommertournee fertig. Da ich nicht spielen kann, höre ich mit Jan zu. Wenn ich mir die richtigen Abschnitte bereits bei der Aufnahme aussuchen kann, geht alles viel schneller.«
Helena schluckte. Die zwangsläufige Fortsetzung des Gesprächs lag schon in der Luft. Aber sie benötigte dennoch ihre gesamte Konzentration für die Reaktion, die gleich von ihr erwartet wurde.
»Hör zu!«, fuhr Louise unberührt fort. »Ich habe Raoul angerufen. Er übernimmt meine Stimme. Die Noten faxe ich ihm heute Abend. Ich weiß, dass er die Sechste von Stenhammar vor vielen Jahren gespielt hat, aber er schafft ja ohnehin alles.«
Obwohl sie gewappnet war, wehte ein kalter Hauch über ihre Schultern, als sie seinen Namen hörte.
»Raoul. Wie nett.« Sie fand selbst, dass sie recht glaubwürdig klang.
»Ja. Ist das nicht fantastisch? Er hat erstaunlicherweise Zeit! Offenbar gibt er in jener Woche nur Stunden, und die kann er verschieben. Stell dir vor, was für ein Glück!« Und da Helena nichts antwortete, fuhr sie fort: »Ich weiß, was du denkst. Ich habe bereits mit Anna gesprochen. Für sie war das überhaupt kein Problem. Schließlich ist das jetzt alles schon so viele Jahre her. Und weißt du was? Es klang so, als würde sie sich tatsächlich darauf freuen, mit Raoul zu arbeiten. Schließlich geht es ja nur um diese Aufnahme. Im Sommer spiele ich dann auf der Tournee. Jetzt, wo nur noch ein Quartett übrig ist, wäre es vollkommen idiotisch, die CD nicht fertigzustellen. Wir lassen sie unter dem Namen Furioso Quartett erscheinen. Beim letzten Quartett steht dann eben Raoul als Primgeiger. Was macht das schon? Ich bin mir sicher, dass das nur zu einem besseren Presseecho führt, wenn der Name Raoul Liebeskind auf dem Cover steht.«
»Ausgezeichnet, Louise, wirklich ausgezeichnet. Es wird Spaß machen, mit Raoul zusammen zu spielen. Er ist ein erstklassiger Geiger und könnte das ganze Quartett weiterbringen.« Jetzt reichte es. Mehr ging einfach nicht, ohne dass es hysterisch wirkte. Sie beherrschte sich, um zum nächsten heiklen Thema überzuleiten und das Ganze als Höflichkeitsfrage zu kaschieren. »Und wie geht es Caroline?«
»T ja, du … « Ein schwer zu deutendes Kichern ließ es im Hörer knistern, dann fuhr Louise fort: »Caro hat heute wieder einmal miserable Laune. Aber das hat einen natürlichen Grund.«
Helena horchte auf. »Ach?«
»Sie hat eine Tournee angetreten. Drei Konzerte in Schonen und dann Dänemark. Sie spielt zum ersten Mal Haydns zweites Cellokonzert. Natürlich ist sie nervös.« Louise lachte. »Na ja, ich bin das gewöhnt. Ich kenne meine Caroline inzwischen.«
Erst nachdem sie die Verbindung unterbrochen hatte, erfolgte ihre Reaktion. Reglos stand sie da und presste das Handy ans Schlüsselbein. Nein, dachte Helena, ganz offensichtlich kennt Louise ihre Caroline überhaupt nicht.
Ohne darüber nachzudenken ging Helena Richtung Kellertreppe und setzte ihren Weg fort, bis sie im Weinkeller stand. Automatisch nahm sie sich eine Flasche Chablis. Der Korkenzieher lag an seinem gewöhnlichen Platz hinter einer alten Weinkiste aus Holz, aber sie fand kein Glas. Sie hatte sonst immer ein paar Gläser im Weinkeller stehen, aber offenbar das letzte Mal vergessen, sie nach dem Spülen zurückzustellen. Ohne weitere Umstände zog sie den Korken aus der Flasche und setzte sie an den Mund. Gleichzeitig lauschte sie auf Martin und die Kinder. Der kühle Wein lief ihre Kehle
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