Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
aufgesetzt, um unbekümmert zu wirken. Ein Wunder, dass Louise nichts merkte. Sie redete einfach weiter, scherzte und kam auf andere Dinge zu sprechen. Vollkommen entspannt und schutzlos, ohne zu ahnen, wie schlecht sie ihn kannte.
Den restlichen Sommer hatte er damit verbracht, eine Strategie zu entwickeln. Es ging um einen heiklen Balanceakt, ein Abwägen zwischen Vertrauen und Ermunterung. Trotzdem hatte er nie gezweifelt. In gewisser Weise trug Louise ebenfalls die Verantwortung, das würde sie auch noch einsehen. Persönliche Wünsche mussten hinter der Kontinuität zurückstehen. Im Grunde besaß es eine hübsche Logik, dass sie die Dinge in die Wege geleitet hatte. Außerdem schwebte sie ja nicht in Unkenntnis, im Gegenteil, sie wusste sehr gut, welche Erwartungen auf ihm ruhten. Louise war ein sehr scharfsinniger Mensch, sogar hin und wieder zu scharfsinnig. Deswegen konnte er sie auch nicht an dem gesamten Prozess beteiligen. In schwachen Momenten fragte er sich, wie es wohl anschließend sein würde. Vielleicht würde ihm Louise den Rücken kehren. Vielleicht würde sie ihm auch verzeihen, wenn sie verstand, dass er keine Wahl gehabt hatte …
Es ging ums Überleben.
Peder spreizte die Finger, fuhr sich durch das dichte blonde Haar und schaute in die Herbstsonne. Die Wärme erinnerte ihn an Svalskär und stärkte sein Selbstbewusstsein. Er spürte den Gegenstand in der Innentasche seines Ulsters und ließ den Arm sofort wieder sinken. Er schob die Schulter etwas vor, damit das Plastikdöschen mehr Platz hatte. Es durfte nicht zerdrückt werden. In der einen Manteltasche lag die Tüte mit der Spritze, die er für diesen Zweck gekauft hatte. Er war sich nicht ganz sicher, ob er sie Louise geben sollte oder nicht. Vielleicht würde er damit seine Fürsorge ja zu weit treiben? Ein Übergriff, dachte er. Ihm wurde ganz heiß bei der Vorstellung, was das bedeutete.
»Peder, altes Haus! Was machst du hier?« Er zuckte zusammen, als wäre er bei seinen Fantasien ertappt worden, als vor ihm jemand seinen Namen rief.
Mit raschen, fast jungenhaft ungraziösen Schritten überquerte sie die Narvavägen-Allee und tänzelte zwischen den geparkten Autos hindurch. Der Cellokasten wippte auf ihren Schultern. Sie war so groß, dass er kaum mehr über ihrem Kopf hervorragte als ein größerer Rucksack. Peder blieb vor der Haustür stehen und griff nach dem kurzen Geländer der Außentreppe. Er brauchte einen Halt. Wie konnte sie nur so gelassen bleiben, wo er doch vor Feierlichkeit fast zu platzen drohte? Unbeholfen winkte er ihr mit der Rechten zu und versuchte dabei wieder einmal, diese unwahrscheinliche Offenbarung zu begreifen.
Ihr unbändiges, lockiges Haar tanzte beim Gehen um ihre Schultern. Sie blühte und lächelte und war voller jugendlicher Kraft und Gesundheit. Er liebte es, sie so zu sehen. Gleichzeitig strahlte Caroline etwas Geheimnisvolles aus, eine unbegreifliche Kombination aus Zielstrebigkeit und Hemmungslosigkeit, die nie aufhörte, seine Neugier zu reizen. Am Sonnabend zuvor war er in ihrem Konzert gewesen. Er hatte auf einem unauffälligen Platz nahe der Bühne gesessen, um sie ungestört betrachten zu können. Sie spielte so begnadet schön, dass er beim Zuhören beinahe das Atmen vergaß. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass sein Hals ganz trocken geworden war, und konnte dann nur mit Mühe einen plötzlichen Hustenanfall unterdrücken. Davon abgelenkt hatte sie ihm einen Augenblick ihr Gesicht zugewandt, ohne ihn zu entdecken, und blieb dabei konzentriert in ihrem Spiel. Er hatte ihre funkelnden grünen Augen unter den langen, dunklen Wimpern gesehen, die sie wie eine gefährlich verlockende Waldnymphe erscheinen lassen konnten. Ihre tiefroten Lippen sahen immer aus wie gerade erst geküsst. Die Sommersprossen auf ihrer Nase erinnerten an Pfefferkörner, die man am liebsten abgeleckt hätte.
Jetzt kam sie ihm entgegen, noch ein paar Schritte, dann stand sie vor der Haustür. Er brauchte nur auf sie zu warten. Sie tauschten einen raschen Wangenkuss aus. Caroline duftete nach Kolophonium.
»Bitte schön.« Er hielt ihr die schwere Haustür auf. Das Treppenhaus durchzogen die kristallklaren Klänge einer Geige, gedämpft durch dicke Mauern, sodass nur das funkensprühende obere Register zu hören war und von den Treppenstufen widerhallte. Die Tür fiel mit großer Wucht zu.
»Ich weiß nicht, wie oft ich schon gesagt habe, dass Niklasson die Tür reparieren soll«, murmelte Caroline und schob sich
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