Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
in Djursholm. Es waren fünf Jahre emotionaler Erholung, ersehnter Stabilität und gesellschaftlichen Aufstiegs für sie beide gewesen.
Dann war Helena Raoul überraschend auf einer Party bei Louise begegnet. Er hatte in Helsingfors gespielt und war für ein paar Tage nach Stockholm gekommen, um seine Eltern und Louise zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Raoul gerade Joy kennengelernt, die später seine dritte Frau werden sollte. Joy war Querflötensolistin und hatte weder Zeit noch Lust, als Anhängsel an den Tourneen ihres Mannes teilzunehmen. Martin war an diesem Abend mit der kleinen Johanna zu Hause geblieben, im Fernsehen lief ein Fußballspiel.
Erst hatte sich Helena ganz sicher gefühlt, demonstrativ mit dem großen Diamanten am linken Ringfinger gewedelt und sich eingebildet, dass sie überhaupt nichts mehr für Raoul empfand. Sie hatte sich sogar erdreistet, provozierend mit zwei Schülern Louises zu flirten, die zufälligerweise auf diese Party mit der Crème de la Crème der Musikszene geraten waren. Am anderen Ende des Salons stand Raoul und warf ihr Blicke zu. Alle wollten etwas von ihm, alle heischten nach seiner Aufmerksamkeit, aber Helena gönnte ihm keinen Blick. Da erwachte sein Jagdinstinkt. Er näherte sich ihr immer weiter und mischte sich schließlich mit kleinen Witzen in ihre Unterhaltung mit den jungen Violinisten ein. Aber Helena fertigte ihn mit bissigen Kommentaren ab, die deutlich ihren selbstbewussten Status im Verhältnis zu diesem Weltstar markierten. Ihr Ansehen bei und ihre Anziehungskraft auf die jungen Männer stieg noch weiter. Sie hatte die Lacher auf ihrer Seite, und die jungen Männer konnten ihr Glück kaum fassen, dass ausgerechnet sie die Aufmerksamkeit dieser beiden fantastischen Menschen genossen. Helena strahlte bei dieser Vorführung, sie war klug, schlagfertig und bezaubernd. Raoul begann Anspielungen einzuflechten, die nur sie verstehen konnte, und Helena reagierte darauf mit diffusen Zweideutigkeiten. Für die jungen Männer war das vollkommen unverständlich, aber zwischen Raoul und ihr ging es um eine heimliche Abmachung, wie sie diesen Abend beenden würden. Sie verließ die Party vor ihm und begab sich direkt in die Lobby seines Hotels. Dort erwartete sie ihn mit einem Glas Whisky in der Hand, als er zwanzig Minuten später erschien.
Um Viertel vor sechs am nächsten Morgen verließ sie Raouls Hotelzimmer ermattet, aber frisch geduscht, und nahm ein Taxi nach Djursholm.
Auf diese Weise hatte es wieder begonnen. Sie sahen sich mehrere Male im Jahr. Helena gelang es, immer neue Kongresse an allen möglichen Orten zu finden, an denen Raoul zufälligerweise gerade ein Konzert gab, und Raoul besuchte seine Familie recht oft in Stockholm. Er kam auch häufig im Sommer als Gast nach Svalskär, Louises Privatinsel. Dann fuhr auch Helena meist dorthin, vorzugsweise ohne Martin und die Kinder. Der Holzschuppen, die Sauna am Bootssteg, das Atelier, das Badezimmer in der Lillstugan, dem Nebenhaus, der Speicher … es gab viele verschwiegene Orte, an denen sie sich treffen konnten.
Nach einiger Zeit hinterließen die Wiederholung und die nachlässige Geheimniskrämerei ihre Spuren bei ihnen beiden, jedoch auf verschiedene Weise. Während Helena immer noch davon träumte, dass sie sich von ihren Partnern scheiden lassen würden, um endlich offiziell ein Paar zu werden, ermüdete Raoul zunehmend. Er ergriff nicht mehr so oft die Initiative zu einem Rendezvous. Helena spürte diese Veränderung, obwohl sie es sich selbst nicht eingestehen wollte. Sie hatten ihre Beziehung nie definiert. Unausgesprochen war es immer ganz einfach um Sex gegangen, modern und unproblematisch. Helena analysierte die Situation als die rationale Frau, für die sie sich selbst hielt, und es gelang ihr, sich einzureden, dass sie allen Grund zur Zufriedenheit habe: Sie führte mit Martin eine gute Ehe und hatte nebenher noch eine Affäre. Diese Argumentation scheiterte jedoch immer daran, dass sie sich eingestehen musste, dass es ihr bei Raoul trotz allem um Liebe ging. Sie erwartete nichts sehnlicher, als ihn sagen zu hören, er liebe sie. Dass er sich verplapperte. Denn es gab eine stillschweigende Übereinkunft. Man durfte weder »ich liebe dich« noch »du fehlst mir« sagen. Gelegentlich hatte sie den Eindruck, diese ersehnten Worte hingen in der Luft, aber meist versuchte sie den Schmerz über die tatsächlichen Verhältnisse einfach zu unterdrücken. Was sie nicht unterdrücken konnte,
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