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Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Titel: Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Bartosch Edström
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ungeheuer traurig sein.«
    »Ich weiß. Lass es noch. Kümmer dich später darum. Es eilt nicht. Es ist so schon schwer genug für sie.«
    »W ie meinst du das?«
    »W as? Hast du es denn nicht gemerkt? Sie zittert, wenn sie spielt.«
    »Das ist mir auch aufgefallen. Es ist, als würde sie noch etwas anderes bedrücken. Ich frage mich jedoch, ob es ihr nicht einfach schwerfällt, mit dir zusammen zu spielen.«
    Raoul erstarrte. »Mit mir?«
    »Das müsste dir doch klar sein. Helena hat einen unglaublichen Respekt vor dir, Raoul.«
    »Ach?« Er lachte verblüfft. Und geschmeichelt.
    »Ja, und wie! Aber Caroline lässt sich nicht so leicht beeindrucken. Mit ihr musst du kämpfen. Bislang ist es mir nicht gelungen, sie zu zügeln, und vielleicht liebe ich sie ja deswegen über alles in der Welt.«
    Er hatte die Eingebung, dass ein Spaziergang Klarheit in seine Gedanken bringen könnte. Die Sonne schien immer noch, als er sein Jackett überzog und ans Ufer ging. Ein schwacher Wind wehte vom Festland herüber, und das Wasser plätscherte an den Felsen. Die Wolken hingen niedrig. Sie schoben sich riesig über den Horizont. Draußen auf dem Meer hatten sich die Nebelschwaden verdichtet und schwebten fast unwirklich dahin. Wie ein fliegender Holländer. Lautlos näherten sie sich der Insel. Raoul betrachtete fasziniert das Wetterphänomen, das er noch nie erlebt hatte. Die Natur war für ihn geheimnisvoll. Hier fühlte er sich alles andere als zu Hause. Deswegen war er auch überrascht, als die Nebelbank plötzlich über die Felsen auf ihn zu segelte. Er war auf die kalte Feuchtigkeit nicht vorbereitet, die ihn wie ein milchweißer Raum umgab. Die Kälte drang durch seine Kleider, und ein Schauer überlief ihn. Aber erst als er sich umdrehte, wurde er unruhig. Er sah nichts mehr, alles war weiß. Er sah kein Haus, keinen Steg, keine Bäume. Nur ein feuchtes Weiß, ein kompaktes Nichts. Instinktiv wollte er so schnell wie möglich weg. Als er einen Schritt tat, rutschte er auf einer Flechte aus und schürfte sich den Knöchel auf dem rauen Felsen auf. Er musste sich mit der Hand abfangen und schauderte, als die Finger im Moos versanken. Sofort stand er wieder auf, klopfte sich die Erde von den Händen und ging vorsichtig und gebückt in die Richtung weiter, von der er glaubte, dass sich in ihr das Haus befand. Gedämpfte Celloklänge drangen aus einer schwer definierbaren Richtung an sein Ohr. Sein Herz schlug schneller. Er wurde von der plötzlichen Sehnsucht überwältigt, auf die Musik zuzugehen. Sich dabei mit den Händen vorwärtstastend ging er rascher in Richtung des schwachen Geräusches. In seinem Eifer stolperte er erneut, trat in ein Loch und fiel auf die Knie. Die Unlust, die er erst im Nebel empfunden hatte, verwandelte sich in eine schleichende Angst. Wo war er? Warum erkannte er nichts wieder? Als er merkte, dass seine Fantasie mit ihm durchging, blieb er abrupt stehen und holte tief Luft. Das war doch lächerlich, sich wegen ein wenig Nebel so aufzuregen! Wie blind auf diese Weise herumzurennen. Er konnte sich ernsthaft verletzen. Das einzig Kluge war, ganz still stehen zu bleiben und abzuwarten, bis der Nebel vorüberzog. Erleichtert sah er, dass sich die weißen Schleier an seinen Beinen bereits auflösten. Wenige Sekunden später verzog sich der Nebel über den immer deutlicher hervortretenden Bodenkonturen und löste sich sachte auf. Schließlich war es über der Insel nur noch etwas diesig. Direkt vor ihm lag das Haus. Zu seiner Linken stand in nur wenigen Metern Entfernung das Atelier auf den steilen Felsen. Er erkannte, dass er beinahe ins Wasser gefallen wäre.
    Mit energischen Schritten ging er aufs Studio zu. Je näher er kam, desto deutlicher hörte er Carolines Cello. Jetzt sah er sie durch die großen Fenster. Sie saß mit dem Rücken zu ihm und spielte den ersten Satz aus Bachs vierter Cellosuite. Die geschmeidigen Sprünge der Melodie hießen ihn willkommen, umarmten ihn und munterten ihn auf. Wie wunderbar sie spielt, dachte er. Sie soll immer Bach spielen. Das passt zu ihr, und sie bringt das Verspielte und die Jugendlichkeit einer Musik zur Geltung, die allzu oft mit grammatischer Genauigkeit gespielt wird. Vor allen Dingen von jungen Musikern. Eine Weile lang betrachtete er sie durchs Fenster. Er lächelte, als er spürte, wie sehr er sie liebte. Einzelne Regentropfen fielen auf seinen Kopf und auf seine Schultern. In einer Pause zwischen den Sätzen klopfte er erst vorsichtig, dann etwas

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