Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
ausmalte, als könne er ihre Wünsche erfüllen, indem er sie in Worte fasste.
Das war nicht weiter schwierig. Es war einfach, jungen, hungrigen Musikern Mut zu machen. Magische Worte öffneten ihre Herzen, und erstaunlich viele junge Mädchen waren im Lauf der Jahre bereit gewesen, rührende und erregende Preise dafür zu bezahlen, dass er ihnen etwas erzählte, was sie sich mit genügend Selbstvertrauen selbst hätten zusammenreimen können. Insbesondere an ihn, Raoul Liebeskind. Sie hofften natürlich, dass er sie auserwählen und ihnen zu Konzerten, Ehre und Berühmtheit verhelfen würde. Manchmal hatte er das auch getan. Aber als er diesen alten Flirttrick nun bei Caroline anwandte, merkte er, wie abgedroschen er war. Es war fast so, als würde er sie damit besudeln.
»Und die Wettbewerbe? Wie viele hast du gewonnen?«, fragte Raoul und betrachtete ihr Profil. Ihn überkam die unbezwingbare Lust, sie überall im Gesicht zu küssen und den Geschmack sonnenwarmer Haut zu schmecken. Nach außen hin ließ er jedoch nur berufliches Interesse und Engagement erkennen.
»Eigentlich nur den schwedischen Solistenpreis vor zwei Jahren«, murmelte Caroline und war sich bewusst, dass ihn das nicht sonderlich beeindrucken würde. Dabei wünschte sie sich so sehr seine Bewunderung und seinen Respekt. Bislang war sie es gewohnt gewesen, dass man ihr für ihre Virtuosität Beachtung schenkte, und sie hatte sich immer gegen Lob als etwas fast Aufdringliches und Peinliches gewehrt. Aber die Musikerkreise, in denen sie sich bewegte, erschienen verglichen mit seinen provinziell. Jetzt wollte sie ihn sagen hören, dass sie nicht nur schön war, sondern vor allen Dingen auch fantastisch begabt. Wenn sie selbst hätte entscheiden dürfen, womit sie ihn für sich einnehmen könnte, so wäre ihre Schönheit dieses Mal an zweiter Stelle gekommen.
»Solltest du dich nicht nächsten Sommer für den Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau anmelden?«, meinte Raoul mit diesem beiläufigen, sexy Selbstbewusstsein, das ihr weiche Knie verursachte.
Louise beugte sich zu Caroline hinüber und flüsterte: »Du weißt doch, dass Raoul mit zweiundzwanzig die Goldmedaille in der Geigenklasse bekommen hat? Ich bin bereits in der ersten Runde ausgeschieden.«
Caroline spürte, wie sich Erregung in ihr ausbreitete, wagte aber nicht, ihn anzusehen. Raoul genoss ihre schüchterne Bewunderung. Er erdreistete sich sogar, ihr rasch das Bein zu tätscheln.
»Ich könnte dir beim Einstudieren des Programms helfen, wenn du möchtest.«
Ihre Erregung schlug in Nervosität um. Tschaikowsky-Wettbewerb und Raoul, das war alles zu viel. Würde sie wirklich beides erringen? Caroline schwindelte es.
»Bist du etwa ein Mitglied der Jury?«, fragte sie.
Er lachte. »Du bist mir aber eine ehrgeizige Person.«
Louise lachte ebenfalls, aber Caroline wurde ganz kalt.
»So hatte ich das nicht gemeint … «
»Du schreckst vor nichts zurück«, fuhr Raoul amüsiert fort. Er konnte es nicht lassen, den Scherz etwas weiter zu treiben. »Ich habe dich offenbar unterschätzt. Aber leider muss ich dich enttäuschen, in der Cellojury sitzen keine Violinisten.«
Was hatte sie getan? Wie hatte sie nur so etwas Dummes sagen können? Sie wollte einfach nur schreien und es zurücknehmen.
»Denk im Augenblick nicht zu sehr über Wettbewerbe nach. Du brauchst Ruhe.« Louise nahm Carolines Hand in ihre und küsste sie. »Nicht wahr? Du musst dich schonen, Caro.« Dann meinte sie noch geheimnisvoll: »Und nicht nur dich selbst.«
»Luss, Liebe, lass uns von etwas anderem reden«, unterbrach sie Caroline beunruhigt.
»Über was denn? Darf ich es nicht erzählen? Ich bin so fürchterlich stolz.«
»Aber ich will nicht.«
»W eißt du, Raoul kennt mich in- und auswendig, und er erzählt mir auch alles. Wir haben keine Geheimnisse voreinander. So war es schon immer.«
Caroline sah Raoul von der Seite an. »Ach wirklich?« Verblüfft stellte sie fest, dass Raoul ganz entspannt neben ihr saß. Sie wusste nicht recht, was sie glauben sollte.
Sie wurde dadurch gerettet, dass die Tür aufging und Helena beinahe über sie stolperte.
»Hoppla. Ich wusste nicht, dass ihr hier sitzt«, rief sie. Caroline erhob sich sofort, nahm ihre Schwester bei der Hand und zog an ihr.
»Komm, wir machen einen Spaziergang. Ich sitze schon viel zu lange hier«, sagte sie. Helena ging zwischen Raoul und Louise hindurch.
Nebeneinander schlenderten sie zum Anlegesteg. Sie waren gleich groß, Helena
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