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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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nicht wundern, wenn am Ende niemand fünftausend Mark ausgibt für meinen Kram. Dann muß ich mich nicht wundern, wenn die, von denen ich will, daß ihnen das nicht scheißegal ist, wenn die dann…« Sie sprach nicht zu Ende, wedelte nur mit der Zigarettenhand.
    »Naja, er ist der Künstler, er darf das«, beharrte Frank.
    »Natürlich darf er das. Jeder darf das. Aber dann soll er mich nicht mit Vorschuß nerven, verdammte Scheiße!« Sie schenkte sich Sekt nach. Frank beugte sich vor und hielt ihr sein Glas hin.
    »Auch schon mal bitte gesagt?« sagte sie.
    »Bitte, bitte«, sagte Frank.
    Sie goß ihm so ein, daß es überlief. Frank schlürfte die oberste Schicht herunter und sagte dann: »Stimmt es, daß er nach New York gehen will?«
    »Ja«, sagte sie, »das hat er in letzter Zeit öfter gesagt. Aber Freddie ist da genau wie die anderen Kreuzberger Nutten: die reden gerne viel!«
    »Aber er war ja mal da, in New York, ja? Haben mir die anderen erzählt.«
    »Im Sommer. Ein paar Wochen gleich, mit dem Goethe-Instirut. Danach war mit ihm nicht mehr viel anzufangen. «
    »Inwiefern?«
    »Er kam wieder und hatte nur noch schlechte Laune. Machte alles runter, scheiß Berlin und so. Hat sich mit allen gestritten. Und dann kommt er mir plötzlich mit der Ausstellung, ob ich mit ihm nicht eine Ausstellung machen könnte. Das sollte dann ganz schnell gehen. Dabei hätte er das schon ein Jahr früher haben können, ich wollte das immer schon mal machen, seine Sachen sind gut. Aber früher war ihm das hier alles zu klein, oder seine Sachen zu groß, oder was weiß ich, da hatte er immer was anderes vor, wahrscheinlich was Besseres!«
    »Und jetzt nicht mehr?«
    »Nein, plötzlich wollte er unbedingt hier ausstellen. Konnte nicht schnell genug gehen. Und dann stand er alle paar Tage vor der Tür, ob schon was verkauft wäre. Wie der letzte Amateur. Und dann fängt er auch noch irgendwann mit Vorschuß an, ich meine, ich und Vorschuß, sind wir hier am Kudamm, ist der krank oder was?!«
    »Keine Ahnung«, sagte Frank und leerte das Glas. Sie tat es ihm gleich und füllte die Gläser gleich wieder neu.
    »Weißt du, warum er sich von seiner Freundin getrennt hat?« wechselte Frank das Thema.
    »Welche Freundin?«
    »Edith heißt die.«
    »Ach die …!« Almut sah ihn an und grinste. »Ist das seine Freundin? Die war auch bei der Vernissage dabei. Wundert mich, daß die nicht auch was umgeschmissen hat, so breit, wie die war! Das war vielleicht ein Abend …!Und die sind zusammen?«
    »Nein, jetzt nicht mehr.«
    »Na kein Wunder, wie der in letzter Zeit drauf war. Der hat sich doch mit jedem gestritten.«
    »Wo sind seine Sachen jetzt?«
    »Keine Ahnung, er hat sie nach unserem Streit abgeholt, mit dem Riesenbaby zusammen, naja, vielleicht hat der ihm den Rest ja auch noch zerdeppert, was weiß ich…« Sie brach ab, goß den Rest aus der Flasche in ihr Glas und schaute hinein. »Edith, ha!«
    Sie sagte nichts mehr, und Frank sagte auch nichts. Gut, daß ich was zum Rauchen habe, dachte er, aber als er einen Zug nahm, verbrannte ihm die Glut den Mittelfinger, und er ließ die Zigarette fallen. Er steckte den Finger in den Mund, stellte sein Glas ab, beugte sich vor und nahm die Kippe mit spitzen Fingern vom Fußboden auf, dann stand er auf, beugte sich vor und legte sie in den Aschenbecher, der vor Almut auf dem Schreibtisch stand. Das ging alles etwas mühsam, fand er. Er nahm den Finger aus dem Mund und pustete drauf.
    »Entschuldigung«, sagte er.
    »Bist du wirklich sein Bruder?« sagte sie.
    »Ja«, sagte er.
    »Kaum zu glauben«, sagte Almut, und Frank fragte lieber nicht nach, wie sie das meinte. Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Und er ist nicht da, oder was?«
    »Ja. Nein. Und keiner weiß, wo er ist.«
    »Das muß doch irgend jemand wissen? Was ist denn mit dem Riesenbaby, weiß der das nicht?«
    »Das ist es ja gerade«, sagte Frank. »Wundert mich auch.«
    Sie beugte sich wieder zur Seite und holte noch eine Fla-sche Sekt aus dem Kühlschrank. Diesmal machte sie sie selber auf.
    »Kann man sich bei Freddie nicht vorstellen«, sagte sie. »Der macht doch sonst immer einen Riesenfuzz um alles, der fährt doch nicht weg, ohne das jedem, den er kennt, mindestens dreimal zu erzählen!«
    »Na, na«, sagte Frank. Man kann nicht dauernd unwidersprochen hinnehmen, daß die hier auf einem seinem Bruder herumhackt, dachte er, oder wie immer man das nun formulieren muß, dachte er, einem seinem Bruder, das kann nicht ganz

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