Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
Vom Netzwerk:
weg, bevor Woll i es sich noch anders überlegen konnte.
4.   PLENUM
    »Ist Manfred da?« fragte Frank, als der Kumpel semes Bruders, den er schon in Bremen kennengelernt hatte, an dessen Namen er sich aber nicht mehr erinnern konnte, die große Stahltür öffnete; es war der Typ, den Frank von Anfang an nicht gemocht hatte, weil er, daran erinnerte er sich noch ganz genau, ein arrogantes, eingebildetes Arschloch gewesen war, kein Wunder, dachte er, daß man von so einem den Namen vergißt.
    »Mensch Erwin, das glaubst du nicht!« rief der andere über die Schulter in die Fabriketage hinein, die zu finden Frank einige Mühe gekostet hatte, weiler nicht gewußt hatte, daß die Buchstaben HH auf dem Zettel, den Man-ni ihm einst gegeben hatte, für Hinterhaus standen. Der Einheimische, den Frank schließlich gefragt hatte, hatte so getan, als sei Frank ein totaler Idiot, und deshalb war Frank jetzt auch etwas gereizt, und das letzte, was er gebrauchen konnte, war einer, der bei seinem Anblick »Mensch Erwin, das glaubst du nicht!« rief.
    »Mensch Erwin, das glaubst du nicht!« rief der andere noch einmal.
    »Nein, Erwin glaubt das nicht«, sagte Frank. »Aber ich will eigentlich zu Manfred.«
    »Erwin«, rief der andere noch einmal ungerührt über die Schulter, »das ist ja voll der Hammer: Freddies Bruder ist hier!«
    »Wieso der Hammer?« konnte Frank sich nicht ver-kneifen zu fragen. »Was soll denn daran der Hammer sein?«
    »Und er fragt nach Freddie!« rief der andere.
    »Ja, macht er«, sagte Frank, der keine Lust mehr hatte, freundlich oder zurückhaltend zu sein, denn das hatte er sich eigentlich fest vorgenommen, freundlich und zurückhaltend zu sein, bis er zu Manni vorgedrungen war, aber hier halfen keine freundlichen und zurückhaltenden, hier halfen nur klare Worte, fand er, und er sagte: »Laß mich mal rein, draußen ist es kalt.«
    »Ja klar, komm rein«, sagte der andere unerwartet freundlich, geradezu herzlich, so als ob er sich wirklich freute, ihn zu sehen. »Komm rein, Mann. Aber Freddie ist nicht da.«
    »Aha«, sagte Frank und trat ein. »Das ist schlecht.«
    »Du bist doch, wie heißt du nochmal?«
    »Frank. Ist doch nicht schwer zu merken, Frank!«
    »Ja logo, Frank! Ich bin Karl.«
    »Ich weiß«, sagte Frank, »wir haben uns ja in Bremen gesehen.«
    »Genau! Schau dir das mal an, Erwin!«
    Erwin war jetzt zu ihnen gestoßen. »Hallo«, sagte er. Er war klein und mager und hatte sehr lange, dünne Haare. Er kam Frank alt vor, viel älter als Karl oder er selbst, er war sicher schon dreißig oder älter. »Na sowas!« Er lächelte Frank an, und Frank wunderte sich etwas, daß die hier alle so nett waren, und er nahm sich vor, auch mal wieder etwas netter zu sein.
    »Wohnst du auch hier?« fragte er, um gleich mal etwas freundliches Interesse zu zeigen.
    »Auch hier, ha! Das ist meine Wohnung«, sagte Erwin, und er hatte einen schwäbischen Singsang in der Stimme, »Wenn, dann wohnen ja wohl die anderen auch hier, Kerle!«
    »Ach SO«,sagte Frank.
    »Und Freddie ist dein Bruder, ja? Naja, Freddie wohnt auch hier. Und der da, der Vogel«, Erwin zeigte auf Karl, »der wohnt auch hier. Und der andere Vogel auch, aber der ist auch nicht da!« fügte er etwas rätselhaft hinzu.
    »Das darfst du Erwin nicht übelnehmen«, sagte Karl. »Wir haben gerade Plenum, da ist er immer hart drauf, da hat er immer Tabasco auf der EicheL«
    »Wo ist denn überhaupt …«, Frank zögerte etwas: Manfred zu sagen war schon schwer genug, war sein Bruder doch, so lange er denken konnte, Manni gewesen, aber Freddie, wie sie seinen Bruder hier nannten, war noch schwerer auszusprechen, mit dem Namen Freddie bekam er seinen Bruder nicht zusammen, zu Freddie fielen ihm nur Seemannslieder ein, und gar nicht mal gute, wie er fand, aber dann sagte er es doch, denn das bringt ja nichts, dachte er, wenn ihn die ganze Stadt hier Freddie nennt, dann braucht man gar nicht erst seine Energie daran zu verschwenden, dagegen anzustinken, dachte er, dann kann man es gleich selbst mal aussprechen, dann hat man’s hinter sich, dachte er und sagte: »… Freddie? Ist er für länger weg? Ich meine, ist er in Berlin oder ist er aus der Stadt raus oder was?«
    »Keine Ahnung«, sagte Erwin.
    »Scheiße«, sagte Frank. »Das ist jetzt aber echt scheiße!«
    »Wieso denn?« fragte Erwin.
    »Erwin«, sagte Kar! und streichelte Erwin über den Kopf. »Das ist doch sein Bruder. Der kommt aus Bremen. Jetzt ist er hier, um Freddie zu besuchen,

Weitere Kostenlose Bücher