Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
Bremen hatte auftauchen und sich als wer weiß was für ein enger Vertrauter von Manni hatte aufspielen können, nur um jetzt so zu tun, als ob sie sich so flüchtig kannten wie zwei Leute, die zufällig jeden Morgen mit demselben Bus fuhren. Das wäre gut, das mit dem Bus zu bringen, dachte Frank, das mit dem Bus ist nicht schlecht und vor allem, dachte er, während Karl an die Tür hämmerte, sogar selbst ausgedacht, aber er sagte nichts dergleichen, denn er fand es nicht opportun, direkt vor dem Plenum einen Streit mit Karl anzufangen, was immer das jetzt für ein Plenum war, er würde sich dort erklären müssen, denn auf jeden Fall wollte er hier eine Zeitlang wohnen, und Freddie, jetzt denke ich schon wie-der Freddie, dachte er, war nicht da, da konnte er keine Feinde gebrauchen.
»Was soll denn das«, sagte Erwin, als er die Tür öffnete.
»Schlüssel, kein Schlüssel«, sagte Karl und hielt Erwin den Sechserpack Bier, der in seinen großen Händen wie Kleinkram aussah, vor die Nase. »Was trinken wir? Schultheiss-Bier!«
»Mein Gott«, sagte Erwin und trat beiseite, damit sie eintreten konnten, »jetzt habe ich schon drei Kneipen, und in allen wird vernünftiges Bier ausgeschenkt, und bei mir zu Hause muß ich Schultheiss trinken!«
»Schön, daß du auch mal diesen Widerspruch bemerkst, Erwin«, sagte Karl fröhlich. »Wir können ja beim Plenum darüber reden, was man da machen kann, wo da der Haken ist, Erwin. Was da schiefgelaufen ist. Wo’s klemmt, Erwin. Wo da der Denkfehler ist. Ich freu mich drauf!«
Frank ging mit den beiden an mehreren in die Fabriketage hineingebauten Zimmern vorbei, bis sie eine offene Küchenecke erreichten, in der sich ein großer Tisch befand, an dem auf einer Bank ein junges Mädchen saß. Sie hatte buntgefärbte Haare und trug nur ein sehr langes T-Shirt, sie saß dort mit angezogenen Beinen und hatte sich das T-Shirt über die Knie bis auf die Füße hinuntergezogen und trank aus einer Suppenschale irgend etwas Heißes.
»Herrgott, Chrissie, nun zieh dir doch endlich mal was an«, herrschte Erwin sie an. »Ich hab dir doch gesagt, daß gleich die Jungs wiederkommen, da muß man doch hier nicht so rumsitzen.«
»Ja, gleich, Onkel Erwin«, sagte Chrissie und schlürfte weiter an ihrem Getränk herum.
Karllachte.
»Lach nicht, Kerle«, sagte Erwin. »Das ist Chrissie«, wandte er sich an Frank, »das ist meine Nichte, die ist hier gerade zu Besuch!«
»Hallo«, sagte Frank, aber Chrissie reagierte nicht.
»Okay, Leute«, sagte Erwin, »ich hab ja gesagt, ich muß mal mit euch was besprechen.«
Sie setzten sich alle an den Tisch, Erwin neben Chrissie, Karl und Frank ihnen gegenüber. Der Tisch dazwischen war vollgestellt mit Frühstücksflocken, Flaschen, Tassen, Tellern und einer Weinflasche, in der eine einzelne Rose vor sich hin welkte.
»Und was ist denn jetzt mit dir?« sagte Erwin zu Frank. »Bist du wirklich der Bruder von Freddie?«
»Ja klar«, sagte Frank. »Willst du meinen Ausweis sehen?«
»Das ist wirklich sein Bruder«, sagte Karl, »das hatten wir doch eben schon, Erwin, echt mal! Ich war doch neulich erst mit Freddie in Bremen, da habe ich ihn kennengelernt, das ist hundertprozentig sein Bruder.«
»Ich mein nur, weil er Freddie überhaupt nicht ähnlich sieht!«
»Jetzt hör mal auf, Erwin, der sieht Freddie total ähnlich, das sind nur die Klamotten und die Haare, ansonsten sieht der doch total wie Freddie aus.«
»Ich hab meinen Ausweis dabei, wenn euch das beruhigt«, sagte Frank gallig.
»Nee, schon gut«, sagte Erwin ernsthaft. »Glaub ich schon. Wußte Freddie denn nicht, daß du kommst?«
»Nein«, sagte Frank. »Aber er hat neulich in Bremen gesagt, ich könnte ihn jederzeit besuchen. Ich hab auch mehrmals angerufen, aber das Telefon geht ja hier wohl nicht.«
»Wie?« sagte Erwin. »Kann man da jetzt auch nicht mehr angerufen werden? Kein Wunder, daß das nie klingelt!«
»Das ist doch immer so«, sagte Kar!, »erst kann man nicht mehr anrufen, und dann kann man auch irgend wann nicht mehr angerufen werden.«
»Scheiß Freddie«, rief Erwin aus. »Der verdammte Arsch. Erst kassiert er das Geld, und dann zahlt er’s nicht ein, verdammte Scheiße.«
»Vielleicht hat er’s nur vergessen«, sagte Kar!, »ist doch norma!!«
»Ich würde auch gerne mal telefonieren«, sagte Chrissie.
»Du zieh dir mal lieber was an«, sagte Erwin.
»Können wir jetzt mal mit dem Plenum anfangen?« sagte Karl. »Ich hab noch was vor, ich will
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