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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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ist wirklich die Piß rinne von Kreuzberg«, sagte er, »echt mal, das ist die beschissenste Straße überhaupt, in der Gegend hier kann man eigentlich gar nicht wohnen!«
    »Einfach so verschwindet heißt: einfach so verschwindet. Daß keiner weiß, wo einer ist«, beharrte Frank auf seiner Frage.
    »Wieso verschwindet, was heißt verschwunden?!« sagte Kar!. »Ich weiß nicht, wie das bei euch Soldaten da läuft, aber das ist hier keine Kaserne, hier muß sich keiner an-und abmelden. Ich meine, wir haben ihn jetzt ein paar Tage nicht gesehen und wissen nicht, wo er gerade ist. Wieso muß er da gleich verschwunden sein?«
    Karl ging weiter und betrat einen kleinen, vollgestellten Döner-Imbiß. Vollgestellt vor allem mit Sechserpacks Bier, wie Frank bemerkte. Sie waren überall, sie stapelten sich an allen Wänden, vor und hinter dem Tresen, im Schaufenster, sogar oben auf dem Glastresen standen aufgereiht die Sechserpacks, so daß der kleine Türke mit dem langen Dönermesser, mit dem er ihnen beim Eintreten grüßend zuwinkte, dahinter kaum zu sehen war.
    Karl nahm einen Sechserpack der Firma Schultheiss - es waren ausschließlich Sechserpacks der Firma Schultheiss im Angebot - vom Tresen, schaute durch die so entstandene Lücke auf den Mann und sagte: “Wieviel? «
    »Fünf«, sagte der Mann. “Wie immer.«
    »Hast du mal fünf Mark?« sagte Karl zu Frank.
    Frank gab dem Mann fünf Mark, und sie gingen wieder hinaus auf die Straße.
    »Reicht denn ein Sechserpack?« fragte Frank.
    »Naja«, sagte Karl und grinste, “Helga kommt nachher, hast du ja gehört, da will Erwin keins. Sagt er. Bist du eigentlich für länger hier oder nur fürs Wochenende?«
    »Ist heute nicht Mittwoch?«
    “Ach so!«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Darfst du denn hier überhaupt her? Ich dachte, die Bundeswehr darf hier gar nicht rein, wegen den Alliierten oder Russen und so.«
    »Ich bin nicht in Uniform«, sagte Frank. »Ich dürfte auch herkommen, wenn ich noch beim Bund wäre, aber nur in Zivil und nur mit dem Flugzeug.«
    »Bist du hergeflogen? Ich kenn einen, der hat das auch mal gemacht, der hätte fast gekotzt, die fliegen ja die ganze Scheiß-DDR lang immer genau auf Wolkenhöhe, hat er gesagt, das war vielleicht ein Scheiß, das mach ich… «
    »Nein, ich bin mit dem Auto gekommen«, unterbrach ihn Frank und fügte widerstrebend, weil er eigentlich zuerst seinem Bruder davon hatte erzählen wollen, hinzu: »Ich bin nicht mehr beim Bund. Die haben mich entlassen.«
    »Echt? Wieso das denn?«
    »Ich bin untauglich.«
    »Wieso, du warst doch schon da, wir haben dich doch in der Uniform gesehen, neulich in Bremen!«
    »Ja, ich war beim Bund, aber sie haben mich heute morgen entlassen.«
    »Wieso denn?«
    »Weil sie jetzt erst gemerkt haben, daß ich untauglich bin.«
    »Aha…«
    Sie bogen wieder durch das große, offene Tor in den Hinterhof ein, in dem die Fabriketage lag.
    »Verstehe ich nicht«, sagte Kar!.
    »So psychisch«, sagte Frank widerstrebend. »Hatte keinen Bock mehr. Hab mich rausgehauen. «
    »Wie denn?«
    »Selbstmordversuch. «
    »Echt? Voll der Hammer. Womit denn? Siehst du deshalb im Gesicht so kaputt aus?«
    »Ja, bin voll auf die Schnauze gefallen. Hab Mandrax genommen. «
    »Mandrax? Wie geht das nochmal?«
    »Wie, wie das geht?«
    »Wie wirkt das?«
    »Da fällt man stumpf um.«
    »Das hab ich noch nie genommen«, sagte Kar!.
    Sie stiegen die Treppe hinauf, und Kar! wechselte das Thema. »Wegen dem Plenum«, sagte er, »da mußt du dir
    nichts bei denken, das macht Erwin dauernd und überall. Das darfst du nicht persönlich nehmen.«
    »Wieso persönlich?« sagte Frank.
    »Ja eben nicht«, sagte Karl. »Ich weiß ja auch nicht, worum es diesmal geht, aber ich glaube, es ist besser, wenn du einfach den Kopf unten behältst und mich das machen läßt.«
    »Was denn machen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Karl, »ich weiß ja nicht, worum es geht.«
    »Schon klar«, sagte Frank, der überhaupt nicht verstand, wovon der andere redete. »Und du weißt wirklich nicht, wo Manni ist, ja? Ich meine, Freddie?!«
    »Nee, wahrscheinlich ist der irgendwie 10 Westdeutschland, wo soll er denn sonst sein, in Neukölln?!«
    »Und dann erzählt er euch gar nichts davon?«
    »Nee, sag ich doch«, sagte Karl. »Hier muß sich keiner an- und abmelden, das ist hier keine Kaserne.«
    Frank hätte Karl gerne gefragt, wie es angehen konnte, daß er, Karl, erst noch vor zwei Wochen oder so mit Man-ni als ein Herz und eine Seele in

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