Der kleine Dämonenberater
Menschheit zum Ziele hat. Dies sei dir auferlegt.‹
Er ließ einen bleiernen Krug anfertigen und verschloß ihn mit einem silbernen Siegel. Bevor er mich einschloß, versprach Salomon, daß Catch an den Felsen gefesselt bleiben würde, bis sich seine Schreie in die Seele des Königs eingebrannt hatten – auf daß Salomon nie wieder seine Willenskraft oder seine Weisheit verlieren werde. Danach werde er den Dämon in die Hölle zurückschicken und die Schriften mit den Beschwörungsformeln und das große Siegel vernichten. Er schwor mir dies alles, als ob mir das Schicksal des Dämon auch nur das Geringste bedeutet hätte. Ich gab nicht einen Kamelfurz auf das, was mit Catch passierte. Dann gab er mir noch einen letzten Befehl und versiegelte den Krug. Seine Soldaten warfen den Krug ins Rote Meer.
Zweitausend Jahre brachte ich im Inneren des Kruges zu. Das einzige, was mein Schicksal erträglich machte, war ein gelegentlicher Tropfen Meerwasser, das von Zeit zu Zeit hereinträufelte und den ich begierig aufsog, denn er schmeckte nach Freiheit.
Als der Krug schließlich von einem Fischer aus dem Meer gezogen wurde und ich meine Freiheit wiedererlangte, verschwendete ich keinen Gedanken an Salomon oder Catch. Alles, was mich interessierte, war meine Freiheit. Und so lebte ich während der letzten tausend Jahre wie ein Mensch unter Menschen, denn so war es der Wille Salomons gewesen. Was das angeht, hatte er die Wahrheit gesagt. Was den Dämon betrifft, so hat er allerdings gelogen.«
Der kleine Mann fiel in Schweigen und füllte seinen Becher wieder mit Meerwasser. Augustus Brine war sprachlos. Das konnte einfach nicht wahr sein! So was war doch nicht möglich! Es gab nichts, das diese Erzählung in irgendeiner Weise bestätigte.
»Ich bitte um Verzeihung, Gian Hen Gian, aber warum steht von alldem nichts in der Bibel?«
»Ist rausgestrichen worden«, sagte der Dschinn.
»Aber bringst du da nicht die christliche mit der griechischen Mythologie durcheinander? Der Vogel, der an der Leber des Dämonen nagt – das klingt doch sehr nach der Sage von Prometheus.«
»Es war meine Idee. Die Griechen waren Diebe – sie waren keinen Deut besser als Salomon.«
Brine ließ sich dies einen Augenblick lang durch den Kopf gehen. Er saß doch hier und hatte die Beweise für das Wirken übernatürlicher Kräfte deutlich vor Augen, oder nicht? Dieser kleine Araber – trank er nun vor seiner Nase Seewasser, ohne daß es ihm das geringste ausmachte, oder nicht? Und selbst, wenn sich das ein oder andere als Halluzination erklären ließe, so war Brine doch ziemlich sicher, daß er nicht der einzige gewesen war, der die blauen Rauchwirbel heute morgen in seinem Laden gesehen hatte. Was, wenn er für einen Moment – wirklich nur für einen kurzen Moment – die hanebüchene Geschichte des Arabers für bare Münze nahm?
»Wenn das alles stimmt, wie kommt es dann, daß du so genau weißt, daß Salomon dich angelogen hat? Und warum erzählst du das ausgerechnet mir?«
»Aus dem Grund, Augustus Brine, weil ich wußte, daß du mir glauben würdest. Und ich bin sicher, daß Catch auf dem Weg nach Pine Cove ist.«
-7-
DIE ANKUNFT
Virgil Long tauchte unter der Motorhaube des Impala auf, wischte sich die Hände an seinem Overall ab und kratzte sich seinen Vier-Tage-Bart. Irgendwie erinnerte er Travis an ein Wiesel mit Krätze.
»Sie glauben also, es ist der Kühler?« fragte Virgil.
»Es ist der Kühler«, sagte Travis.
»Kann gut sein, daß der ganze Motor hinüber ist. Lief ziemlich leise, als Sie reingefahren kamen. Kein gutes Zeichen. Haben Sie 'ne Kreditkarte?«
Virgils Unfähigkeit auf dem Gebiet der Diagnose von Motorschäden war einmalig. Wenn er es mit Touristen zu tun hatte, ging er gewöhnlich so vor, daß er einfach ein Teil nach dem anderen ersetzte, bis entweder der Schaden behoben war oder die Kreditkarte seines Kunden nichts mehr hergab – je nachdem, was zuerst eintrat.
»Als ich reingefahren kam, lief der Motor überhaupt nicht«, erwiderte Travis. »Und ich habe auch keine Kreditkarte. Es ist wirklich der Kühler, wenn ich's Ihnen doch sage.«
»Mein Sohn, ich weiß, Sie glauben, Sie wissen genau, wovon Sie reden, aber da drüben an der Wand hängt eine Urkunde von der Ford Motor Company, die besagt, daß das hier eine Fachwerkstatt ist.« Virgil deutete mit seinem fetten Finger auf das Büro seiner Werkstatt, wo eine ganze Wand vollgehängt war mit gerahmten Urkunden. Abgesehen davon hing dort noch
Weitere Kostenlose Bücher