Der kleine Dämonenberater
ein Werbeplakat für Motoröl, auf dem eine nackte Frau zu sehen war, die auf der Motorhaube einer Corvette saß und sich ihre Geschlechtsteile mit einem Schal trockenzureiben schien. Virgil hatte die Urkunden, die seinen Betrieb zur Fachwerkstatt erklärten, bei einem Versand in New Hampshire bestellt – zwei kosteten fünf Dollar, sechs bekam man für zehn, und für zwanzig Dollar gab es sogar fünfzehn. Virgil hatte zwanzig Dollar investiert. Wer sich allerdings die Zeit nahm, die Urkunden an der Wand sorgfältig in Augenschein zu nehmen, mußte zu seiner Verwunderung feststellen, daß in der einzigen Werkstatt und Autowaschanlage in Pine Cove auch ein ausgebildeter Mechaniker für Schneemobile tätig war. Es hatte in Pine Cove noch nie geschneit.
»Das hier ist ein Chevy«, sagte Travis.
»Von denen hab ich auch 'ne Urkunde. Vermutlich brauchen Sie auch 'n Satz neue Dichtungen. Der Kühler ist nur 'n Symptom. Wie die Scheinwerfer, die sind ja auch hin. Wenn man nur die Symptome kuriert, wird die eigentliche Krankheit nur schlimmer.« Diesen Satz hatte Virgil einmal den Arzt in einer Fernsehserie sagen hören, und er hatte ihm so gut gefallen, daß er ihn sich gemerkt hatte.
»Was wird's denn kosten, wenn Sie nur den Kühler in Ordnung bringen?«
Virgil stierte auf den Werkstattboden wie eine Wahrsagerin in den Kaffeesatz, als könnte er in dem Muster der Ölflecken einen Preis lesen, der den dunkelhaarigen Mann nicht gänzlich in die Flucht trieb, bei dem er aber dennoch einen ordentlichen Reibach machte.
»Hundert Dollar.« Eine schöne, runde Summe.
»Prima«, sagte Travis. »Reparieren Sie ihn. Wann ist er fertig?«
Wieder befragte Virgil die Ölflecken. Auf seinem Gesicht machte sich ein kumpelhaftes Lächeln breit. »Wie wär's mit zwölf Uhr?«
»In Ordnung«, sagte Travis. »Gibt's hier 'nen Billardsalon – und irgendwas, wo man frühstücken kann?«
»Billardsalons gibt's keine. Die Straße 'n Stück weit runter ist das Head of the Slug. Die haben zwei Tische.«
»Und Frühstück?«
»Das einzige, was hier in der Nähe auf hat, ist das H.P.'s, einen Block weit von der Cypress Street, vom Head of the Slug aus. Aber da gehen vor allem Einheimische hin.«
»Macht die Bedienung Ärger, wenn man nicht von hier ist?«
»Nein. Aber die Speisekarte kommt Ihnen vielleicht 'n bißchen seltsam vor. Sie – ach, Sie werden schon sehen.«
Travis bedankte sich bei dem Automechaniker und machte sich auf den Weg zu H.P.'s. Der Dämon trottete hinter ihm her. Als sie an den Boxen vorbeikamen, wo man sein Auto selber waschen konnte, fiel Travis ein junger Mann auf, der Wäschekörbe voll schmutzigen Geschirrs von der Ladefläche eines Pick-up herunterhievte. Es schien, als hätte er Probleme, seine Quarters in den Münzschlitz hereinzubekommen.
Während Travis ihm dabei zusah, wie er sich abmühte, sagte er zu Catch: »Weißt du was? Ich wette, in diesem Kaff gibt's 'ne Menge Inzucht.«
»Vermutlich ist sonst hier auch nix los«, pflichtete der Dämon ihm bei.
Der Mann an der Waschanlage hatte es mittlerweile geschafft, die Hochdruckdüse in Gang zu bekommen, und strich nun damit über die Plastikwäschekörbe voller dreckiger Teller und Tassen. Jedesmal, wenn er die Richtung wechselte, wiederholte er: »Kein Mensch kann so leben. Absolut niemand.«
Der Wind blies eine Wolke feiner Wassertropfen herüber zu Travis und Catch, und einen Moment lang wurde der Dämon sichtbar. »Ich zerschmeeeeeelze«, jammerte Catch wie die böse Hexe des Westens.
»Also los jetzt«, sagte Travis und beeilte sich, damit er nicht noch nasser wurde. »Wir müssen bis zwölf Uhr hundert Kröten auftreiben.«
JENNY
Jenny Masterson war jetzt erst zwei Stunden im Café, und seitdem hatte sie es schon geschafft, ein Tablett voller Gläser fallen zu lassen, die Bestellungen von drei Tischen durcheinanderzubringen und die Salzstreuer mit Zucker und die Zuckerstreuer mit Salz zu füllen. Außerdem hatte sie zwei Gästen heißen Kaffee über die Hände gegossen, die ihr, indem sie ihre Hand über die Tasse hielten, bedeuten wollten, daß sie keinen Kaffee mehr mochten – nun ja, wenn man sich so blöd anstellt, muß man sich nicht wundern, dachte Jenny. Das Schlimmste an der ganzen Angelegenheit war nicht die Tatsache, daß sie ihre Arbeit nicht wie üblicherweise fehlerlos verrichtete, sondern daß jedermann so verdammt viel Verständnis für sie aufbrachte.
»Du machst gerade 'ne schwere Zeit durch, Honey, ist schon in
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