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Der kleine Dämonenberater

Der kleine Dämonenberater

Titel: Der kleine Dämonenberater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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(selbstredend unter ihren wissenschaftlichen Bezeichnungen) in einem temperaturstabilen Behältnis zusammenmischten, um auf diese Art und Weise die Bedingungen zu rekonstruieren, unter denen das erste Leben auf der Erde entstanden war. Jenny hätte eigentlich nur noch die Rotlichtlampe im Badezimmer einschalten müssen (dies war die letzte Zutat, die noch fehlte), und ihr Badewasser hätte sich mit den Worten »Wie geht's, wie steht's« aus der Wanne erhoben und ihr den Nobelpreis und Millionen von Dollar eingebracht.
    Während Jennifers Aussichten auf den Nobelpreis und Unsterblichkeit auf dem Gebiet der Wissenschaftler in ihrer Badewanne vor sich hin blubberte, zählte sie ihr Trinkgeld – 47 Dollar und 32 Cent in Scheinen und Münzen – und steckte es in ein Einmachglas auf ihrer Kommode. Sie notierte die Gesamtsumme in ihrem Haushaltsbuch. Es war nicht die Welt, aber es reichte, um die Miete samt Nebenkosten und Essen zu zahlen. Außerdem konnte sie damit die laufenden Kosten für ihren Toyota und Roberts Lieferwagen bestreiten und seine Illusion am Leben erhalten, daß er sich als Berufsfotograf über Wasser halten konnte. Das bißchen Geld, das er gelegentlich mit Hochzeiten und Porträts verdiente, ging für Filme und Ausrüstung drauf, wenn er es nicht, wie meistens, in Wein anlegte. Robert schien der Ansicht, daß ein Korkenzieher der Schlüssel zur Kreativität war.
    Daß sie Robert über Wasser hielt und ihm sein Dasein als Fotograf ermöglichte, hatte Jennifer als Ausrede dafür gedient, daß sie ihre eigenen Ansprüche hintanstellte und ihre Zeit als Kellnerin vergeudete. Es schien, daß sie schon immer zurückgesteckt hatte. Die Zähne zusammenbeißen und abwarten, irgendwann wird dann alles besser. Immer hatte sie sich mit vagen Zukunftsaussichten vertröstet, in der Hoffnung, daß dann ihr Leben richtig losgehen würde. In der Schule hieß es, bring gute Noten nach Hause, und du kannst auf ein gutes College gehen. Beiß die Zähne zusammen und warte nur ab, danach wird alles besser. Dann kam Robert. Du mußt hart arbeiten und Geduld haben, aber irgendwann läuft das Geschäft mit den Fotos, und das Leben wird besser. Sie hatte sich auf diesen Traum eingelassen, wieder die Zähne zusammengebissen und darauf gewartet, daß alles irgendwann besser wird. Bloß kein eigenes Leben führen. Und sie hatte auch dann noch ihre Energie in diesen Traum gepumpt, nachdem Robert ihn längst begraben hatte.
    Es war eines Morgens passiert, nachdem Robert die ganze Nacht durchgetrunken hatte. Sie hatte ihn vor dem Fernsehgerät gefunden, vor ihm leere Weinflaschen aufgereiht wie Grabsteine.
    »Ist heute nicht 'ne Hochzeit, wo du Fotos machen mußt?«
    »Das laß ich sausen. Mir ist nicht danach.«
    Sie war ausgerastet. Hatte ihn angeschrien, die Weinflaschen umgetreten und war schließlich aus dem Haus gestürmt. In diesem Augenblick hatte sie sich entschlossen, endlich ihr eigenes Leben zu führen. Es war zwar spät, aber nicht zu spät, um jetzt damit anzufangen. Sie war noch keine dreißig, und sie wollte eher in der Hölle schmoren, als den Rest ihres Lebens als trauernde Witwe am Grab des Traumes von jemand anderem zu verbringen.
    Sie sagte Robert, daß er noch am gleichen Nachmittag ausziehen sollte, und rief dann einen Anwalt an.
    Allerdings war ihr jetzt, wo sie endlich ihr eigenes Leben zu leben begann, nicht klar, was sie damit überhaupt anfangen sollte. Als sie sich in die Badewanne gleiten ließ, fiel ihr auf, daß sie nichts weiter war als eine Ehefrau und Kellnerin.
    Einmal mehr unterdrückte sie das dringende Verlangen, Robert anzurufen und ihn zu bitten, nach Hause zu kommen. Nicht, weil sie ihn liebte – die Liebe zu ihm war so sehr verblaßt, daß sie kaum noch wahrnehmbar war –, sondern weil er ihrem Dasein einen Sinn gab, eine Richtung und eine Entschuldigung für ihre Mittelmäßigkeit bot.
    In der Abgeschlossenheit des Badezimmers fühlte sie sich in Sicherheit, und dabei stellte sie fest, daß sie Angst hatte. Den ganzen Morgen hatte sie sich in Pine Cove gefühlt, als wäre sie in einer Sauna eingesperrt. Die Luft wurde immer dicker und schnürte ihr die Kehle zu. Pine Cove und der Rest der Welt waren so unüberschaubar groß und feindselig. Es wäre ein leichtes, sich einfach in das heiße Wasser hinabgleiten zu lassen und nie wieder aufzutauchen – allem zu entkommen. Nicht, daß sie es ernstlich erwogen hätte, aber einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken und genoß die

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