Der kleine Dämonenberater
ziemlich billig war. Das Leben war klasse.
Effrom überlegte sich, ob er in seine Werkstatt gehen sollte, um sich die Zigaretten zu holen. Jetzt eine rauchen wäre genau das richtige. Schließlich war die Frau ja aus dem Haus. Und warum sollte er in seinem eigenen Haus Verstecken spielen? Nein, die Frau würde es merken. Und wenn sie ihn zur Rede stellte, würde sie ihn wieder nicht anbrüllen, sondern ihn nur anschauen – mit diesem traurigen Blick – und sagen: »Oh, Effrom.« Nichts weiter. Nur: »Oh, Effrom.« Und er würde sich fühlen, als hätte er sie betrogen. Also abgehakt die Angelegenheit. Er würde warten, bis die Sendung vorbei war und dann in seiner Werkstatt rauchen.
Plötzlich kam ihm das Haus sehr leer vor. Es war eine große, leere Lagerhalle, wo schon das geringste Geräusch an allen Ecken und Enden widerhallte. Es fehlte jemand.
Er bekam die Frau immer erst um die Mittagszeit zu Gesicht, wenn sie an die Tür seiner Werkstatt klopfte, um ihm zu sagen, daß das Essen fertig sei. Aber trotzdem spürte er nun ihre Abwesenheit, als wäre eine schützende Hülle von ihm weggerissen worden und er schutzlos den Elementen ausgesetzt. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte Effrom Angst. Sicher, die Frau würde wieder zurückkommen, aber eines Tages würde sie für immer wegbleiben. Eines Tages würde er unwiderruflich allein sein. Einen Augenblick lang wünschte er sich, daß er zuerst sterben würde, doch bei der Vorstellung, daß sie an die Tür zu seiner Werkstatt klopfte, die er niemals wieder aufmachen würde, kam er sich selbstsüchtig und elend vor.
Er versuchte, sich auf das Aerobicprogramm zu konzentrieren, doch der Anblick von Spandexanzügen hatte keine tröstliche Wirkung. Er erhob sich von seinem Sessel und schaltete das Fernsehgerät ab. Dann ging er in die Küche und schüttete den Kaffee in den Ausguß. Im Glanz der Morgensonne tummelten sich vor dem Fenster wie gewöhnlich die buntschimmernden Kolibris. Plötzlich überkam Effrom ein seltsames Drängen. Er mußte unbedingt in seine Werkstatt und seine letzte Schnitzarbeit zu Ende bringen. Die Zeit erschien ihm auf einmal so flüchtig und fragil wie die kleinen Vögel vor dem Fenster. In früheren Tagen wäre er diesem Gefühl dadurch begegnet, daß er mit einer gewissen Naivität seine eigene Sterblichkeit einfach in Abrede gestellt hätte. Im Alter hatte er bei der immer wiederkehrenden Vorstellung Zuflucht gesucht, daß er und die Frau sich zusammen schlafen legten und nie wieder aufwachten, so daß ihrer beider Leben und alle Erinnerungen gleichzeitig ausgelöscht wurden. Er wußte selbst, daß auch dies nur eine naive Wunschvorstellung war. Jedenfalls würde er der Frau ganz schön die Hölle heiß machen, wenn sie zurückkam. Was fiel ihr ein, einfach wegzufahren?
Bevor er die Tür zu seiner Werkstatt aufschloß, stellte er den Wecker an der Armbanduhr auf zwölf. Wenn er so in seine Arbeit vertieft war, daß er vergaß zu Mittag zu essen, würde er seinen Mittagsschlaf verpassen. Und es gab keinen Grund, sich den Tag zu vermasseln, nur weil die Frau weggefahren war.
Als es an der Tür zu seiner Werkstatt klopfte, dachte Effrom zunächst, die Frau sei zurückgekommen, um ihn mit dem Mittagessen zu überraschen. Er drückte seine Zigarette in einer leeren Werkzeugkiste aus, die er ausschließlich zu diesem Zweck benutzte, und blies die letzte Lunge voll Rauch in den Ventilator, den er installiert hatte, damit »der Staub vom Sägen nicht hier drin rumfliegt«.
»Bin sofort da. Einen Moment noch«, rief er und ließ schnell noch einmal eine seiner Poliermaschinen hochdrehen, um Eindruck zu machen. Das Klopfen ging weiter, und nun merkte Effrom, daß es nicht von der Verbindungstür zum Haus kam, an die die Frau normalerweise klopfte, sondern von der Tür an der Vorderseite des Hauses. Vermutlich die Zeugen Jehovas. Er kletterte von seinem Hocker und suchte in seinen Taschen nach Kleingeld. Zu seiner Beruhigung fand er einen Quarter. Wenn man ihnen einen Wachturm abkaufte, zogen sie von dannen, aber wehe, sie erwischten einen und man hatte kein Kleingeld. Dann verbissen sie sich in einen wie Terrier, nur um eine Seele zu retten.
Als Effrom die Tür aufriß, machte der junge Mann, der davor gestanden hatte, einen Satz zurück. Er trug ein schwarzes Sweatshirt und Jeans. Ein Kleidungsstil, der Effrom ziemlich leger erschien für jemanden, der eine formelle Einladung zum Ende der Welt mitbrachte.
»Sind Sie Effrom Elliot?«
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