Der kleine Dämonenberater
Wagen. Travis ließ den Wahlhebel der Automatik auf Drive. Als der Dämon zu schieben begann, hörte Travis, wie er mit seinen klauenbewehrten Füßen Furchen in den Asphalt kratzte.
Nur noch ein Tag. Vielleicht.
Er versuchte, an das Mädchen zu denken. Jenny. Ihm fiel auf, daß er noch von keinem anderen Mann gehört hatte, der schon über neunzig war, bevor er sein erstes Rendezvous mit einem Mädchen hatte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, warum er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm ausgehen wollte. Es hatte mit ihren Augen zu tun. Die vage Erinnerung an Glück, die sie in ihm weckten. Die Erinnerung daran, daß er selbst einmal glücklich gewesen war. Travis lächelte.
-12-
JENNIFER
Als Jennifer von der Arbeit nach Hause kam, klingelte das Telefon. Sie rannte hin und wollte schon abheben, hielt sich dann aber doch zurück, schaute auf die Uhr und ließ doch erst einmal den Anrufbeantworter laufen. Es war noch zu früh für Travis.
Das Gerät klickte und spulte die Ansage ab. Jennifer zuckte zusammen, als sie Roberts Stimme hörte. »Hier ist das Fotostudio Pine Cove. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Telefonnummer nach dem Piepton.«
Der Anrufbeantworter piepte, und es war weiterhin Roberts Stimme zu hören. »Liebling, wenn du da bist, nimm bitte ab. Es tut mir leid. Ich muß nach Hause kommen. Ich habe keine saubere Unterwäsche mehr. Bist du da? Bitte nimm doch ab, Jenny. Ich fühle mich so allein. Bitte ruf mich an, okay? Ich bin immer noch bei The Breeze. Wenn du zurückkommst –«
Die Maschine schnitt ihm das Wort ab.
Jennifer spulte das Band zurück und hörte die anderen Nachrichten ab. Es waren insgesamt neun, und alle waren von Robert. Nichts als besoffenes Gejammer, Bitten um Vergebung, Versprechen, sich zu ändern, was nie passieren würde.
Jenny spulte das Band zurück. Auf den Notizblock neben dem Telefon schrieb sie: »Neue Ansage auf die Maschine sprechen.« Daneben hatte sie sich noch eine Reihe weiterer Notizen gemacht: Bier aus dem Kühlschrank räumen, Dunkelkammereinrichtung zusammenpacken, Schallplatten, Kassetten, Bücher auseinanderdividieren. Als könnte sie auf diese Art und Weise den schalen Beigeschmack entfernen, den der Gedanke daran, daß Robert in ihrem Leben einmal eine Rolle gespielt hatte, hinterließ. Im Augenblick war ihr allerdings eher danach, den schalen Geruch einer Achtstundenschicht im Restaurant abzuwaschen. Robert war regelmäßig über sie hergefallen, wenn sie von der Arbeit kam, und hatte sie geküßt, sobald sie durch die Tür trat. »Der Geruch von Bratfett treibt mich zum Wahnsinn«, hatte er immer gesagt.
Jenny ging ins Badezimmer und ließ sich eine Wanne voll Wasser einlaufen. Sie schraubte diverse Flaschen auf und schüttete sie ins Badewasser: Algen-Essenz, wirkt revitalisierend auf die Haut, 100% Naturprodukt. »Kommt aus Frankreich«, hatte der Verkäufer betont, als ob die Franzosen es in der Zubereitung von Badewasser zu ähnlicher Meisterschaft gebracht hätten wie auf dem Gebiet der unverschämten Anmache. Sie fügte einen Spritzer Amino-Extrakt hinzu, ein aus verschiedenen Gemüsesorten gewonnenes Protein, das vollständig absorbiert werden kann. »Damit werden Falten und Furchen so glatt und weich wie zugespachtelt«, hatte der Verkäufer behauptet. Eigentlich war er Stuckateur und hatte sich eine Stellung hinter dem Ladentresen eines Kosmetikgeschäfts mit List und Tücke erschlichen. Die höheren Weihen eines Schönheitsspezialisten hatte er jedenfalls noch nicht empfangen. Zwei Deckelkappen Herbal Honesty, eine duftende Kräutermischung aus biologischem Anbau, mit Liebe von Hand geerntet von spirituell erleuchteten Nachfahren der alten Mayas. Und zuletzt ein Spritzer E-Feminin , Vitamin-E-Öl und Dong-Quai-Wurzelextrakt, der die Göttin in jeder Frau erweckt. Rachel hatte ihr das E-Feminin bei der letzten Versammlung der Heidnischen Vegetarier für den Frieden gegeben, als Jenny die Gruppe um Rat gefragt hatte, ob sie sich scheiden lassen sollte. »Dein Yang ist einfach nur überbetont«, hatte sie gesagt. »Versuch's mal damit.«
Als Jenny alle Zutaten zusammengerührt hatte, nahm das Wasser eine sanft grünlich schimmernde Färbung an, die ein wenig an Edelpilz in Käse erinnerte. Sie wäre bestimmt nicht schlecht erstaunt gewesen, wenn sie erfahren hätte, daß zweihundert Meilen nördlich in den Laboratorien des Stanford-Forschungszentrums für Urschleim einige Doktoranden haargenau die gleichen Ingredienzien
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