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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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einer ganzen Stunde.
Ihr hättet Spaß an meinen Worten,
Die süßer wär’n als manche Torten.
Nun steh ich hier – fest angeleint –
Und rufe: Das Orakel weint!
Ich schluchze, fluche, klage an:
Man band den besten Redner an.
So wünsch ich euch zum Abschiedsfest
Recht herzlich Pocken, Ruhr und Pest!»
    Aber die singende Säge wurde ganz einfach ignoriert, und schließlich stand die ganze Schar vor einem riesigen Wandteppich, den ein kunstvolles, goldgerändertes Bildnis des griechischen Bergs Parnass zierte. Auf ein Kommando des Bergkönigs traten sechs große Trommeln in leuchtenden Perlmuttrüstungen vor und gesellten sich zu dem Flügel und seinen Freunden.
    «Dies», sagte der Bergkönig, «ist eure Eskorte. Denkt an den Herzschlag des Tunnels. Folgt ihnen im richtigen Rhythmus.»
    Dann zog er den Gobelin beiseite. Hinter dem Wandteppich war jetzt eine große Öffnung zu sehen, die in einen dunklen Raum führte, und in dessen Mitte befand sich am Boden ein massiver Ring aus Stahl. Der Bergkönig trat vor, bückte sich, packte den Ring und zog mit einem seiner gewaltigen Arme kräftig daran. Knirschend hob sich ein mächtiger steinerner Deckel, den der Bergkönig schließlich ächzend zur Seite schob, und darunter befand sich eine Art Schacht, der sich spiralförmig in die Tiefe hinabwand.
    Der Eingang zum Tunnel war offen. Düster und drohend.
    «Ich wünsche euch alles Gute», rief der Bergkönig. «Und nun geht und tut, was ihr tun müsst.»
    Die sechs Trommeln bildeten eine Reihe, schlugen einen Viervierteltakt an und marschierten in diesem Rhythmus nacheinander in den Tunnel hinein.
    «Danke, Bergkönig», rief der Flügel und rollte als Erster hinterher, und ohne zu zögern, folgten ihm, zum Abschied winkend, Tri, Strato, Moog und Fendi.

    Schon nach wenigen Metern umfing die Gefährten die Kälte des Tunnels, der etwa vier Meter breit und rund drei Meter hoch war. Nach einem kurzen Abstieg ging es geradeaus, und ein Ende war nicht zu sehen. Anfangs erhellte das Licht von oben die Umgebung mit den steinernen Wänden noch und brach sich funkelnd in den Perlmuttrüstungen der vor ihnen marschierenden Trommeln, doch nach wenigen Minuten herrschte absolute Dunkelheit. Es ging stetig bergab. Niemand sprach. Nur der Rhythmus der Trommeln war zu hören. Der Herzschlag des Tunnels! Er sorgte dafür, dass sie unbehelligt ihren Weg fortsetzen konnten. Und tatsächlich nahm der Tunnel nun den Rhythmus der Trommeln auf. Ein Stampfen im exakt gleichen Takt dröhnte aus den Wänden.
    Wumm. Wumm. Wumm. Wumm!
    Es war unheimlich. Die Gefährten gaben sich große Mühe, dicht bei den Trommeln zu bleiben. Zum Glück wurde es im Tunnel nun etwas heller. Über ihnen glommen überall kleine längliche Wesen auf, die sich an der Tunneldecke festkrallten.
    «Glühwürmchen», flüsterte Tri.
    «Besser als nichts», antwortete Strato. «Aber schöne große Scheinwerfer wären mir lieber.»
    Minutenlang marschierte die Gruppe den schnurgeraden Tunnel entlang, doch dann veränderte sich die Umgebung. Der Tunnel wurde breiter, verzweigte sich, und links und rechts führten auf einmal Seitentunnel tiefer ins Gestein hinein. Schließlich erreichten die Wanderer einen großen, runden Platz, der von einem gewaltigen Steindach umwölbt wurde: eine unterirdische Kathedrale, die von Tausenden von Glühwürmchen erhellt wurde.
    Die Trommeln stoppten, marschierten aber auf der Stelle tretend im Rhythmus des Tunnels weiter, denn von dem großen Platz zweigten mindestens zehn weitere Tunneleingänge ab. Welcher war der richtige? Und wohin führten die anderen?
    Die Trommeln marschierten auf der Stelle und lauschten. Aus jedem der Eingänge kam ein etwas anderer Rhythmus. Es handelte sich um leichte Variationen des Tunnel-Herzschlages. Es galt offenbar, den richtigen herauszuhören, und viel Zeit schienen sie dazu nicht zu haben – denn entsetzt stellten die Gefährten fest, dass sich aus dem Boden der Kathedrale unförmige Wesen herausbuddelten. Sie sahen aus wie grimmige Maulwürfe mit scharfen Krallen und spitzen Fangzähnen und begannen langsam auf die Wanderer zuzukriechen.
    «Sie kommen näher», fiepte Tri.
    «Ganz ruhig», sagte der Flügel. «Unsere Führer machen das ja nicht zum ersten Mal. Sie werden das schon hinkriegen.»
    Und endlich entschieden sich die Trommeln für einen Tunnel recht weit links, auf den sie entschlossen zumarschierten. Die Gefährten folgten ihnen. Die «Raubwürfe», wie Tri die unheimlichen Maulwürfe

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