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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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hier tun sollte.
    Die Gefährten kamen nun ohne irgendwelche Angriffe oder Störungen gut voran; der Tunnel verlief schnurgerade. Dann passierten sie eine Biegung – und standen verdutzt vor einer glatten Wand, die den Durchgang komplett versperrte. Auf der Wand stand nur das Wort «Schluss».
    «Einbahnstraße», kommentierte Fendi knapp.
    «Wir müssen umkehren und es woanders versuchen», sagte Strato.
    «Zurück zu den Ratten?», fragte Tri besorgt.
    Moog schwieg deprimiert.
    Der Flügel dachte nach, las noch mal das Wort «Schluss» und hatte auf einmal eine Idee.
    «Freunde!», rief er. «Entweder ich beule mir gleich den Korpus ein, oder ich habe recht.»
    Er rollte auf die Wand zu.
    «Ich kenne das aus der Musik», fuhr er fort. «Man nennt es Trugschluss. Die Leute denken, ein Stück ist zu Ende, aber dann geht es doch weiter. Ich glaube, das hier ist so ein Trugschluss.»
    Dann erreichte er die Wand; seine Freunde erwarteten ein Krachen, aber der Flügel rollte mit einem zischenden Geräusch einfach hindurch, als wäre sie aus Luft.
    Und so war es auch. Die Wand war ein klassischer «Trugschluss», eine Spiegelung. Sie existierte gar nicht. Einer nach dem anderen flog oder rollte hindurch, nachdem der Flügel «Einfach durch! Euch passiert nichts» von der anderen Seite gerufen hatte.
    Und schließlich standen die Instrumente wieder alle versammelt, bereit, ihren gefahrvollen Weg durch die unterirdische Welt fortzusetzen.
    Der Tunnel verlief weiter geradeaus. Es war allerdings auf einmal viel kälter; immer noch erhellte das diffuse Licht der Glühwürmchen die Umgebung. Doch neben ihnen konnte man an der Decke in unregelmäßigen Abständen etwas Spitzes, Großes hängen sehen.
    «Sieht aus wie in so einer Tropfsteinhöhle», sagte Tri.
    «Ja, genau», erwiderte Moog. «Wie heißen die Dinger noch? Ach, ja: Stalaktiten.»
    Und als ob dieses Wort ein Kommando gewesen wäre, löste sich eines dieser eiszapfenartigen Teile von der Decke und fiel herab. Und als es auf den Boden prallte, ertönte mit einem klirrenden Klang kurz Musik. Die Freunde waren in der «Allee der Tonzapfen» angekommen. Diese Tonzapfen, so erfuhren sie später, bestanden aus gefrorener Musik – Musik, die sich vor langer Zeit von der Ebene bis hierhin in diese eiskalte Welt durch Ritzen und Spalten ihren Weg gebahnt hatte und dann an der Decke zu eisigen Zapfen erstarrt war. Vorsichtig rollten die Instrumente unter den Tonzapfen hindurch. Sie waren spitz wie Speere. Da löste sich wieder einer, krachte dicht neben Moog zu Boden und ließ einen verzerrten Teil aus der Ouvertüre von Mozarts «Zauberflöte» erklingen.
    «Das war knapp», murmelte Moog.
    «Komm», sagte der Flügel. «Roll unter mir weiter. Ich bin ein wenig fester gebaut als du.»
    Moog ließ sich nicht lange bitten.
    Tri schwebte dicht neben Strato und Fendi, und alle blickten immer wieder angstvoll nach oben, ob sich einer der tönenden Stalaktiten bewegte.
    Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis der Flügel getroffen wurde. Er bot einfach zu viel Fläche und war zu schwer, um schnell auszuweichen. Ein großer Tonzapfen löste sich knirschend, der Flügel rollte schneller, doch es war zu spät. Der Tonzapfen krachte auf den Deckel des Flügels, und ein Teil von Rimski-Korsakows «Hummelflug» ertönte.
    Der Flügel schrie auf. «Halt durch», rief Strato. «Roll einfach weiter, so schnell du kannst.»
    «Ich weiß etwas Besseres», sagte Tri.
    Die anderen sahen sie erstaunt an.
    «Schaut mal», sagte Tri, schwebte zu einem der Tonzapfen und flog seitlich dagegen. Der löste sich sofort und krachte zu Boden.
    «Wow», rief Strato. «Kontrollierte Abstürze. Tri, du bist genial. Auf geht’s!»
    Und schon schwebten Strato, Fendi und Tri an der Decke und brachten mit seitlichen Stößen sämtliche Tonzapfen, die noch vor dem Flügel und Moog hingen, zu Fall – was ein wirklich seltsames «Konzert» von schrillen Klängen, Melodien und Geräuschen zur Folge hatte.
    «Cooler Sound», kommentierte Moog. «Damit könnte man glatt auf die Bühne gehen.»

    Schließlich war der weitere Weg durch den Tunnel komplett zapfenfrei, und die Gefährten konnten ihren Weg gefahrlos fortsetzen. Es ging nun viele Stunden geradeaus.
    «Wahrscheinlich sind wir jetzt unter der großen Ebene», sagte Strato. «Wir sind bestimmt bald da. Uns scheinen keine weiteren Gefahren mehr zu drohen.»
    Doch so war es nicht.
    Der Tunnel wurde nun wieder breiter, und links und rechts konnte man

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