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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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Steinway!»
    Er hatte Angst, in die Hände eines Amateurs zu fallen, der auf ihm herumholzen würde. Also entwarf er in Gedanken eine kleine Rede: «Meine Damen und Herren, wir Steinways sind sehr solide gefertigt und entspringen einer uralten Tradition von Tischlereihandwerk, bei der eine Vielzahl an Patenten zum Einsatz kommt. Zweihundertfünfundfünfzig, um genau zu sein. Für uns werden nur die besten, über Jahrzehnte getrockneten Hölzer verwendet und …»
    Der Flügel erstarrte. Etwas in dem Raum des Auktionshauses hatte sich plötzlich verändert. Ein eisiger Hauch wehte von der Tür herüber – und dann sah er die beiden Gestalten. Ein riesiger Mann und eine schlanke Frau; um die beiden herum flimmerte die Luft in einem sonderbaren grünlichen Licht, als ob sie nicht in diese, sondern in eine ganz andere Welt gehörten. Der Flügel spürte, dass er in großer Gefahr war, denn beide sahen zu ihm herüber, mit bohrenden Blicken, und die Frau zischte: «Das dahinten, das ist er.» Und der riesige Mann ging mit schweren Schritten auf ihn zu.
    Die Frau folgte ihm. Sie war rothaarig und ganz in Schwarz gekleidet. Ein gelbes Seidentuch bedeckte Mund und Nasenspitze, als müsse sie sich vor Viren und Bakterien schützen. Als beide näher kamen, registrierte der Flügel etwas, das jede seiner unter Spannung stehenden Holzmembranen erschauern ließ. Ein Geräusch ging von dem unheimlichen Paar aus. Ein leises, für Menschen unhörbares Sirren entströmte ihren Körpern. Ein böser Ton. Bohrend. Grausam. Bedrohlich.
    Schließlich standen die beiden direkt vor ihm.
    «Ja», sagte die Frau leise und legte ihre Hand auf den Flügel. Sie war kalt wie Eis.
    «Kein Zweifel. Das muss er sein. Der Ogermann-Flügel.»
    «Er sieht aus wie jeder andere», sagte der Riese.
    «Mag sein», zischte die Frau. «Aber er ist ein Steinway. Ein ganz besonderer Steinway. Genau der, den wir brauchen. SIE will ihn haben. Und wir werden ihn ihr bringen. Los, wir setzen uns ins Publikum und ersteigern ihn. Das macht am wenigsten Aufsehen.»

    Doch bevor sich beide unter die Auktionsgäste mischten, beugte sich die Frau noch dicht über die Tastatur des Flügel, nahm ihr Tuch beiseite und flüsterte: «Na, mein kleiner Steinway? Jetzt ist Schluss mit dem schönen Leben. Bald gehörst du uns. Hörst du den Ton? Ich weiß, dass du ihn hörst. Ich spüre es. Ich spüre deine Angst. Du weißt nicht, was es ist, dieses Geräusch, nicht wahr? Ich will es dir sagen. Es ist der Turm. Er ruft nach dir.»

    Der Flügel war völlig verunsichert. Er hatte die Worte der Frau nicht verstanden, aber er wusste, dass etwas mit ihm geschehen würde. Doch was? Wer war dieser Turm, der angeblich durch das grauenhafte Sirren nach ihm rief? Wer waren die beiden Gestalten, die jetzt scheinbar entspannt inmitten der Menschen saßen und auf den Beginn der Auktion warteten?
    Da hörte er plötzlich ein tiefe, aber freundliche Stimme: «Diese Gestalten, das sind die Schergen des Turmes, mein junger Freund. Und ja, du bist in großer Gefahr.»
    Die Stimme kam aus einem Klavier, das unweit des Flügels im Halbdunkel stand: ein alter Blüthner, ein betagtes Exemplar aus der gleichnamigen Pianofabrik. Der Blüthner war unter dem vielen Ramsch und Plunder, der auf ihm abgelegt worden, kaum zu erkennen. Man schien sich keine großen Hoffnungen zu machen, das Instrument jemals zu verkaufen.
    «Wovon sprichst du? Was für Schergen? Was für ein Turm?», fragte der Flügel atemlos.
    Er war sehr erleichtert, dass er mit jemandem reden konnte.
    «Die beiden sind jedes Jahr hier», antwortete der Blüthner. «Immer auf der Suche nach den Besten. Und wenn sie fündig geworden sind, greifen sie zu und ersteigern das Instrument. Der Riese sorgt allein mit einem Blick dafür, dass ihn keiner überbietet. Sie kriegen immer, was sie wollen. Und irgendwann, praktisch über Nacht, sind sie dann einfach mit ihrer Beute verschwunden. So haben sie es damals auch mit der Guarneri gemacht.»

    Der Flügel erstarrte. Dann stimmte die Legende der echten Guarneri-Violine, die vor vielen Jahren hier im Haus für einen Spottpreis ersteigert worden sein sollte, also wirklich!
    «Armes Ding», brummte der Blüthner weiter. «Hatte unendlich Potenzial zur eigenen Improvisation und selbstbestimmten Interpretation der Musik. Sie wäre ein strahlender Stern im Universum geworden. Eine Schande ist das. Wir haben damals hier alle erlebt, was für ein phantastisches Instrument die Guarneri war. Ich selbst

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