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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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das ganze Rätsel seines Daseins. Einige Leute meinten, er leide an einer mysteriösen Krankheit und verbringe seine Zeit damit, sich Formel-1–Rennen im Fernsehen anzuschauen; andere behaupteten, er habe eine Vision gehabt, die ihm die Welt als reinen Unfug entlarvt habe, und danach sei ihm nur noch der Weg in sein tiefstes Inneres geblieben. Was immer nun zutraf, die Obhut über das Noor hatte der langjährige Geschäftsführer Mister Abjani, der in den Siebzigern als Kartenverkäufer begonnen hatte und die Karriereleiter hochgeklettert war. Durch dieses Vorbild angeregt, träumte Kaputkar davon, in zehn Jahren seinerseits Geschäftsführer des Noor zu sein. Kaputkar als Geschäftsführer – so ein Witz! Dem tanzten doch die eigenen Kinder auf der Nase herum!
    Abjanis Büro befand sich im Erdgeschoss. Als Arzee die Schwingtür aufdrückte und hineinlinste, war Abjani nirgends zu sehen, allerdings lagen eine Zeitung und ein Scheckheft aufgeklappt auf dem Schreibtisch. Auf einem Beistelltischstand ein halb abgegessener Teller. Offenbar hatte Abjani Probleme mit der Verdauung seines Mittagessens gehabt und sich auf seine private Toilette zurückgezogen. Arzee grinste und ging wieder. Irgendwie arbeiteten im Noor lauter ulkige Typen: Tawde mit seiner Faulheit und Fettleibigkeit, Phiroz mit einem ganzen Sortiment an Schrullen, Abjani mit seinen Verdauungsproblemen, Kaputkar mit seinem himmelhohen Ehrgeiz. In dieser Hinsicht war es dann doch schade, dass Phiroz aufhörte. Es würde so sein, als wäre eines der Tiere im Noor-Zoo gestorben.
    Im Foyer war Tawde gerade dabei, zwei kreischenden Eunuchen den Eintritt zu verwehren, und Sule, der Aushilfsfilmvorführer, der zu halbem Gehalt angestellt war, um für Phiroz und Arzee einzuspringen, beobachtete den Schlagabtausch fasziniert. Sule hatte eine so jammervolle, hilflose Art, dass Arzee ihn verachtete, und da Sule ihm nichts antun konnte, hielt er mit seinen Gefühlen nicht hinterm Berg. Sule war einer von den Menschen, die es ohne offizielle Erlaubnis kaum wagten, sich auch nur die Nase zu putzen; da hatte sogar Tyson mehr Selbstachtung. Der folgte gerade mit der Schnauze einer Kakerlake, die über den Boden schlingerte und holperte wie ein Wüstenfahrzeug. Eben wollte er zuschlagen, da spurtete die Kakerlake plötzlich los und verschwand in einem Spalt. Arzee kicherte, und Tyson blickte mit seinen traurigen, milchigen Augen zu ihm auf. Phiroz war der Ansicht, dass Tyson an beginnendem grauen Star litt und seine Nase anstelle der Augen benutzte. Tyson schüttelte sich heftig und sprang in großen Sätzen die Treppe hoch, so dass sein Sack im Takt hin- und herschwang. Arzee schaute auf die Uhr. »Ich werde ein bisschen mit den Damen plaudern, bis Abjani zurückkommt«, sagte er laut zu sich selbst und folgte Tyson nach oben.
    Der Balkon war ein Bereich des Noor, den fast nie jemand betrat, denn das Parkett war billiger, was den Männern entsprach, die ins Noor kamen. Entlang des gesamten Balkons verlief ein Gang, und an dessen Wänden hingen wie eine Engelparade die Damen, die zu besuchen Arzee hier hochgekommen war. Die gerahmten Fotos waren kaum kleiner als Arzee, und all die großen Diven und Sirenen aus der jahrzehntelangen Geschichte Bollywoods waren hier versammelt, im Moment gebannt, auf ewig strahlend: Madhubala mit ihren leuchtenden Augen und porzellanartigen Wangen, Nadia Hunterwali, die anmutig eine Zigarette in einer Zigarettenspitze rauchte, die süße, kindliche Geeta Bali, die schmalgesichtige Nargis mit nachdenklichem, abgewandtem Blick, die leichtfüßige Vyjayanthimala, von Kopf bis Fuß mit Schmuck behängt, die zarte, rehäugige Nutan, die feurige Waheeda Rehman, deren Augen zornig blitzten, die zarte Sharmila Tagore mit toupiertem Haar, Mumtaz mit kokettem Augenaufschlag, die spektakuläre Helen, deren Augen Teichen aus strahlendem Licht glichen, Dimple Kapadia, in ihrem Badeanzug einfach hinreißend, Hema Malini mit ihrer Alabasterhaut, die üppige Zeenat Aman, Rekha mit ihrem lodernden Blick, die sylphidenartige Shabana Azmi, Sridevi, taufrisch wie eine Blume am Morgen, und Madhuri Dixit mit ihrem schimmernden Hundert-Watt-Lächeln. Filmdarstellerinnen der Gegenwart waren nicht dabei – das Noor verteilte seine Lorbeeren sehr bedacht. Aber Arzee hatte beschlossen, Abjani zu fragen, ob zur Feier seiner Krönung vielleicht zwei seiner Lieblingsschauspielerinnen aus der aktuellen Riege dazugehängt werden könnten, die eine noch

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