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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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lieber an diesem vertrauten Ort blieben, als sich dem Pöbel im Jenseits anzuschließen. Arzee hatte immer vorgehabt, mal einen Nachmittag damit zu verbringen, diesen Teil des Gebäudes zu erkunden, aber war man in Bombay erst einmal in einenAlltagstrott verfallen, gelang es einem irgendwie nicht mehr, sich daraus zu befreien und Zeit für Neues zu finden. Irgendwann jedoch würde er das machen – vielleicht nächsten Montag. Nun da Phiroz aufhörte, war es mehr denn je seine Pflicht, das komplette Gebäude zu kennen.
    Waren die Männer auf der anderen Seite des Noor-Gebäudes Gespenster, so verströmten diejenigen, die jetzt im Innenhof des Noor standen, Lebendigkeit. Sie hatten hungrige Augen und ruhelose Körper, einige kratzten sich unter den Armen, andere im Schritt. Sie machten Smalltalk, kauten billiges Knabberzeug, fuhren sich mit Plastikkämmen durchs Haar und wandten alle paar Minuten den Kopf, um die schöne Haut, die schönen Kurven und Gliedmaßen der Gestalten auf den Plakaten im Schaukasten zu bewundern. Als Arzee sich durch das Gedränge schob, spürte er die Hitze ihrer Lust, ihr Verlangen, eingelassen und erobert zu werden.
    Es dauerte noch eine halbe Stunde bis zur Nachmittagsvorstellung. Tawde, der Pförtner, lümmelte an der Tür herum, und der Kinohund Tyson lag zu seinen Füßen, den Kopf zwischen den Pfoten, die Augen halb geschlossen. Kaum entdeckte er Arzee, stürmte er hinaus und warf sich knurrend und nach ihm schnappend gegen Arzees Brust, denn seine Liebe war von der rauen Art. Arzee packte den Hund am Nacken und knurrte zurück. Rangelnd und sich balgend zwängten sie sich durch die halb offene Tür des Noor und verschwanden im Dunkeln.
    »Hey, Arzee«, sagte Tawde, als Arzee an ihm vorbeiging, »Mister Abjani hat gesagt, dass er dich sprechen will.«
    »Abjani will mich sprechen? Ja warum wohl?« Arzee gluckste. »Grrrr … ist er in seinem Zimmer?«
    »Ja, aber er isst gerade zu Mittag.«
    »Aha! Ein Grund mehr, ihn zu stören«, sagte Arzee. »Grrr … Genug jetzt, du alter Köter, sonst kriegst du einen Tritt, der wirklich wehtut.«
    Auch nach all den Jahren dauerte es einen Moment, bis Arzee sich an die immense Noor’sche Düsternis, den ganz eigenen, Noor’schen Geruch gewöhnt hatte. Das Noor war eine dunkle Höhle, die eine zweite in sich barg: Anders als in anderen Kinos ließ man die Welt hier nicht in dem Moment hinter sich, wo man den Zuschauerraum betrat, sondern bereits wenn man den Fuß über die Schwelle des Kinos setzte. Die Luft drinnen war drückend und abgestanden, als wäre sie an einem uranfänglichen Abend eingelassen und nie wieder hinausgelassen worden, und das muffige Halbdunkel in Foyer und Korridoren bereitete die Gäste auf die stickige Finsternis in dem großen Saal vor, aus dem jetzt, dumpf und verzerrt, die Klänge des dramatischen Höhepunkts von
Saathi
drangen. In die Decke, die so hoch oben über Arzees Kopf war, dass sie ein zweiter Himmel hätten sein können, waren drei große
jhumars
, drei Discokugeln eingelassen. Allerdings wurden sie nicht mehr eingeschaltet, weil das zu teuer war – die Zeiten von Pracht und Herrlichkeit waren vorbei. Jetzt beleuchteten im Foyer zwei trübselige Neonröhren ein Paar draller Marmornymphen mit erhobenen Armen und wiesen den Weg zu einem Korridor linker Hand, der zum Parkett führte, und zu einer breiten Treppe rechter Hand, über die man zum Balkon gelangte. Ein Putzjunge in Hemd und Bermudas wischte gerade den Boden, so dass es stark nach billigem Desinfektionsmittel roch. In einer Ecke des Foyers befand sich eine Verkaufstheke mit einem Schild, das den Verkauf von Popcorn, Waffeln und kalten Getränken verhieß. Kurz vor der Pause wechselte Kaputkar, der Kartenverkäufer, der imMoment noch in seinem Kassenhäuschen mit dem vergitterten Fenster saß, Eintrittskarten abstempelte und beteuerte, dass er nicht auf einen Hunderter herausgeben könne, an diese Verkaufstheke. Arzee klopfte an die Tür des Kassenhäuschens. »Kannst du mir auf einen Hunderter rausgeben?«, fragte er, lachte meckernd und ging weiter.
    Das Noor gehörte dem geheimnisvollen Rajneesh Sharma, Sohn des legendären Filmfinanziers Sahil Sharma. Seit zehn Jahren hatte man Rajneesh Sharma nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er lebte wie ein Einsiedler in seiner ummauerten Festung in Malad, und nur sein Name ging um die Welt. Wenn im Noor von ihm die Rede war, wurde die zweite Silbe seines Namens meist endlos in die Länge gezogen, als bärge

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