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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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vorbeikommen.«
    »Sehr freundlich! Wissen Sie, ich
muss
heute mit ihm sprechen, denn es gibt da ein paar Dinge, die ich ihm unbedingt erzählen muss. Also, ich bin um acht wieder da.«
    »Gut.« Deepaks Frau wollte erneut die Tür zumachen.
    »Ach, noch was! Falls er vor acht zurückkommt, sagen Sie ihm bitte, dass er nirgendwo anders mehr hingehen soll. Sagen Sie ihm, Arzee hätte gesagt, dass es wichtig ist.«
    »Ich werde es ihm ausrichten.«
    »Danke – vielen Dank.«
    Deepak war nicht zu Hause! Eine weitere Stunde stummen Brütens und Bangens! Als Arzee die Treppe hinunterging, merkte er, dass er von Deepak tief enttäuscht war. Deepakhatte ihn aufgefordert, um sieben da zu sein – ihm das Versprechen abgenommen, um sieben da zu sein – und ihm böse Folgen angedroht, wenn er nicht um sieben kam. Und jetzt war Deepak selbst um sieben nicht da! Deepak hätte ihn problemlos anrufen oder ihm eine SMS schicken können, um ihm zu sagen, dass er eine Stunde später kommen solle, aber er hatte es nicht getan. Deepak nahm keinerlei Rücksicht auf ihn. Während er sich den ganzen Tag auf das Treffen gefreut hatte, obwohl es ihn teuer zu stehen kam, war er für Deepak nur jemand, der Geld brachte. Ob sie sich begegneten oder nicht, war ihm egal, Hauptsache, er erhielt sein Geld. Seit gestern hatte Arzee eigentlich gedacht, dass Deepak sein Freund werden könnte, aber Deepak interessierte sich gar nicht für ihn.
    »Oder vielleicht hat er gedacht, ich komme nicht, und ist deshalb seiner eigenen Wege gegangen«, dachte Arzee. »Schließlich hat er in dem halben Jahr, das er mich jetzt kennt, noch keine einzige Rupie von mir bekommen. Ja … so muss es sein! Aber ich bin gekommen! Das bedeutet, dass Deepak freudig überrascht sein wird, wenn er zurückkommt. Er wird sehen, dass ich mein Wort gehalten habe. Ich muss also dasein, wenn er zurückkommt, sonst habe ich die tausend Rupien umsonst bezahlt. Was? Die prügeln sich immer noch?«
    Er sagte zu den Jungen: »Lasst mich mal durch, ihr Rabauken. He! Ich rede mit euch! Was guckt ihr denn so? Habt ihr noch nie einen Mann gesehen?«
    Die Jungen hörten auf zu raufen und machten ihm Platz.
    »Wem gehört dieser Schläger?«
    »Mir. Geben Sie ihn mir zurück.«
    »Okay, aber zuerst sagst du mir, wer dein Lieblings-Cricketspieler ist.«
    »Sachin.«
    »Sachin! Der ist schon gut, aber er fliegt zu oft raus, kurz bevor er hundert zusammen hat. Dhoni ist der richtige Mann, lasst euch das gesagt sein – eines Tages wird er der Kapitän sein. Könnt ihr mir sagen, wo in diesem
chawl 6
Phiroz K. Pir wohnt? Ein alter Parse? Der im Gehen immer so vor sich hin brummelt?«

    Phiroz wohnte im ersten Stock von Gebäude Nr. 1 des Old Wadia Chawl. Es lag nicht mehr als eine Viertelstunde zu Fuß vom Noor entfernt, doch Arzee hatte den alten Filmvorführer noch nie besucht. Phiroz ermunterte einen nicht dazu, ihn zu besuchen – er selbst besuchte auch nie jemanden. Phiroz war nicht sehr gesellig.
    »Hoffentlich ist er zu Hause«, dachte Arzee, während er die Treppe hinaufging. »Bin mal gespannt, wie seine Wohnung aussieht. Und seine Tochter. Ob sie hübsch ist? Nicht sehr wahrscheinlich. Mit Phiroz hat immer was nicht gestimmt. Er verbringt die Hälfte seiner Zeit mit Vögeln und sonstigen Tieren oder mit seinen Göttern oder mit dem Babur – in Bestform ist Phiroz, wenn er nicht mit Menschen zusammen ist. Uns gegenüber ist er immer sehr verschlossen. Aber Phiroz ist nun mal Phiroz. Ich bin auch nicht mehr so böse auf ihn. Verziehen habe ich ihm allerdings auch nicht. Ich bin nur hier, weil ich eine Stunde totzuschlagen habe.«
    Phiroz’ Gebäude war kleiner – es war wohl früher gebaut worden – und in viel schlechterem Zustand als das von Deepak. An verschiedenen Stellen hatte sich übelriechendes Wassergesammelt, und als Arzee den nicht beleuchteten Treppenabsatz im ersten Stock erreichte, sah er, dass nicht weit von Phiroz’ Wohnungstür entfernt ein ganzes Stück Wand fehlte, dort klaffte ein so großes Loch, dass ein Kind oder auch er selbst hätte hindurchfallen können.
    Die Hände auf die Knie gestützt, spähte er durch das Loch nach unten und stellte fest, dass er direkt in den schwarzen Schlund eines nicht mehr benutzten Brunnens hinuntersah. In dem gespenstischen Zwielicht schien das Rund der Brunnenöffnung zu kreisen und die Luft anzusaugen. Es hatte etwas Hypnotisches – es schien ihn zu rufen, kommen sollte er, kommen und die Lücke zwischen ihnen schließen.

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