Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
Vom Netzwerk:
war!« Das Mädchen antwortete nicht, also redete er weiter: »Und jetzt verschwindet auch noch das Noor. Einer nach dem anderen geht.«
    »Ich weiß. Das ist wirklich sehr traurig. Was haben Sie denn jetzt vor?«
    »Es ist noch zu früh, um irgendetwas vorzuhaben, Miss Shireen. Das ist alles zu schnell gegangen – ich war nicht darauf vorbereitet. Übrigens erinnert mich Ihre Wohnung an das Kino, denn ich arbeite abends auch bei Kerzenlicht. Finden Sie die Schatten nicht auch immer wieder spannend?«
    »Ja, Schatten sind überall.«
    »Miss Shireen«, sagte Arzee, und seine Worte richteten sich auch an Phiroz. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass mein Leben sich langsam dem Ende zuneigt und mich auf der anderen Seite etwas anderes erwartet. Ich werde nicht mehr der Arzee sein, der ich jetzt bin, aber wer ich stattdessen sein werde, weiß ich nicht. Als ich vorhin vor Ihrer Wohnungstür stand, habe ich in diesen Brunnen runtergeguckt –«
    »Nicht so mutlos, Mister Arzee. Sie stehen doch in der Blüte Ihrer Jugend! Denken Sie daran: Jede Nacht bringt einen Morgen.«
    »Danke für Ihre freundlichen Worte, Miss Shireen. Sie ändern zwar nichts an der Realität dieses kleines Mannes, der heute zum ersten Mal bei Ihnen zu Besuch ist, aber deshalb sind sie nicht weniger freundlich und liebenswürdig.«
    »Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit sind nur –«
    »Jetzt reicht es aber mal für eine Weile!«, sagte Phiroz. »Lerne deine Zunge zu zügeln, sonst schickt dich dein Mann gleich wieder zurück.«
    »Du wirst mich ja wohl wieder aufnehmen, Vater? Sonst hocke ich mich vor deine Tür und rede den ganzen Tag.«
    »Bitte setzen Sie sich doch ein bisschen zu uns, Miss Shireen, seien Sie so gut.« Arzee wollte unbedingt die Person hinter dieser Stimme kennenlernen, die Urheberin dieserbetörenden Worte. Aber vielleicht würden sie sich dann nicht mehr so unbefangen unterhalten können? Der Anblick von Gesichtern und Körpern konnte die Zunge lähmen.
    »Ich möchte meinem Schwiegersohn eine Uhr kaufen«, sagte Phiroz. Er blickte auf Arzees Handgelenk. »Wo kriege ich so eine Uhr, wie du sie hast?«
    »So eine Uhr? Das wird nicht einfach sein, Phirozbhai«, sagte Arzee. »Die habe ich von meinem Vater geerbt. Ich glaube nicht, dass man so was noch kriegt.«
    Phiroz schwieg. Unter dem Schatten seines Schnauzbarts arbeitete sein Mund. Er starrte Arzee unverwandt an. Sein Gesicht sah im Kerzenlicht eigenartig aus.
    »Aber wir können es versuchen«, sagte Arzee. »Wir können mal auf dem Markt gucken.«
    »Ich möchte genau so eine Uhr für meinen Schwiegersohn«, sagte Phiroz. Ein Wassertropfen fiel von der Decke und zerplatzte auf seinem kahlen Schädel. Er hob verdrossen den Blick und deutete nach oben. »Die Decke ist jeden Tag an einer neuen Stelle undicht. Es tropft im Wohnzimmer. Es tropft im Schlafzimmer. Es tropft auf dem Balkon. Es tropft im Bad. Aber aus dem Wasserhahn kommt die Hälfte der Zeit nichts.«
    »Apropos – könnte ich mal eure Toilette benutzen, Phirozbhai?«
    »Da lang«, sagte Phiroz. »Nimm die Kerze mit.«
    »In zwei Minuten sind Ihre zehn Minuten vorbei, Miss Shireen«, sagte Arzee, während er aufstand, »und dann müssen Sie aus Ihrem Versteck herauskommen und uns Tee machen. Sonst werde ich sehr böse und … und entführe Ihre Katze!« Shireen lachte. »Noch lachen Sie, aber warten Sie nur ab! Ich bin gleich wieder da.«
    Er nahm die Kerze, ging in die Richtung, die Phiroz ihm gewiesen hatte, und ließ den Alten im Dunkeln zurück. Als er durch das hintere Zimmer ging, sah er auf dem verglasten Balkon die in einen Zuber getauchten Beine von Phiroz’ Tochter, wie zwei Zahnbürsten in einem Becher.
    »Was ist es für eine Erleichterung zu reden!«, dachte er. »Das habe ich schon gestern Abend bei Dashrath gemerkt und jetzt wieder. Den ganzen Tag schmore ich in meinem eigenen Saft, das ist wirklich tödlich. Hätte ich doch nur jemanden wie dieses Mädchen in meinem Leben, dann wäre ich nicht so unglücklich.«
    Er machte die Badezimmertür zu, stellte die Kerze vorsichtig auf den Rand des Waschbeckens, öffnete den Reißverschluss seiner Hose und schaute in das kleine schwarze Loch hinunter. Er konnte sich nicht erinnern, je bei Kerzenlicht gepinkelt zu haben.
    Nein – sein Glied war definitiv nicht so klein, wie seine Freunde immer behaupteten! Aber er konnte es ja wohl kaum rausziehen und es ihnen zeigen. Als Schatten an der Wand war es geradezu riesenhaft. Oft zuckte es und machte

Weitere Kostenlose Bücher