Der kleine Vampir feiert Weihnachten
spürte ein Kribbeln im Magen. «Tatsächlich?», sagte er und streckte die Hand aus – in der Erwartung, sie würde ihm die Zeitung geben.
Stattdessen begann sie vorzulesen:
«14. Dezember.
Der Tannenbaumraub – jetzt noch mysteriöser!
Die gestohlenen Bäume stehen wieder auf dem Dach des Kaufhauses! Heino Klemm (43), der Leiter des Kaufhauses, entdeckte die Kunststoffbäume, als er gestern Abend noch einen Rundgang mit seinem Hund machte. Vollkommen ungeklärt sind auch diesmal die Umstände der Tat. Weder wurde die Eisentür aufgebrochen, noch fanden sich Hilfsmittel wie Leitern oder Ähnliches. Da es nicht den geringsten Hinweis auf die Motive der Täter gibt, bleibt nur zu hoffen, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholen wird!»
Antons Mutter blickte von der Zeitung auf. «Warum hast du mir nichts davon erzählt?»
«Erzählt? Was denn?», fragte Anton vorsichtig.
«Dass Lumpi sich besonnen hat», antwortete sie.
«Besonnen?»
Beinahe hätte Anton sich verschluckt, so ulkig fand er diesen Ausdruck im Zusammenhang mit einem … Vampir!
«Allerdings!», sagte seine Mutter. «Nicht nur, dass Lumpi seinen Fehler eingesehen hat – er hat die Bäume sogar zurückgebracht! Und das ist am allerschwierigsten: ein Unrecht nicht nur einzusehen, sondern es wieder gutzumachen!»
Anton biss sich auf die Lippen und schwieg. «Einsicht» war im Fall von Lumpi wohl kaum das passende Wort – eher «Weitsicht» aus Furcht vor den Nachforschungen der Polizei!
«Und wann hast du ihm den Baum gegeben?», wollte seine Mutter nun wissen.
Anton schreckte hoch. «Wann? Gestern», sagte er. «Als ihr um den Block gegangen seid.»
Gerade noch rechtzeitig hatte er sich an den halbstündigen Abendspaziergang seiner Eltern erinnert.
«Ausgerechnet dann hat Lumpi bei dir geklingelt?», fragte sie ungläubig.
«Nein.» Anton grinste. «Er hat ans Fenster geklopft und ich habe ihm den Baum gegeben.»
«Jaja», sagte seine Mutter verärgert. «Wer’s glaubt, wird selig.»
Anton schüttelte den Kopf. «Wer’s glaubt, wird zum Vampir!» Vergnügt erhob er sich. «Und jetzt muss ich Schularbeiten machen.»
Vor seiner Zimmertür blieb Anton stehen. Eigentlich brauchte er das Schild nicht mehr … Aber nach kurzem Überlegen entschied er, es hängen zu lassen; denn vielleicht bekam er heute Abend – Besuch!
Motten-Troll
Doch Anton hoffte vergeblich. Und auch am Freitagabend kam niemand. Dann war endlich Samstag, der Abend, für den der kleine Vampir sein Kommen angekündigt hatte. Diesmal hatten Antons Eltern beschlossen, ins Kino zu gehen. «Seht ihr einen Vampirfilm?», fragte Anton beim Abschied keck. Sein Vater lachte. «Könnte man so sagen.»
«Ehrlich?», rief Anton überrascht.
«Natürlich nicht!», stellte Antons Mutter klar. «Wir sehen uns einen politischen Film an.»
«Das muss kein Widerspruch sein», bemerkte Antons Vater. «Gewisse Politiker sind auf ihre Art durchaus Vampire!»
«Eben!», sagte Anton. «Und manche sind sogar noch viel schlimmer als echte Vampire!»
«Seit wann interessierst du dich für Politik?», fragte Antons Mutter spitz.
Anton grinste. «Seit wir in der Schule über Vampire – äh, Politik sprechen!»
Als Anton allein war, schob er die Vorhänge zur Seite und schaltete den Fernsehapparat ein. «Wetten, dass …» es heute Abend wieder keinen Vampirfilm gab? Während Anton die verschiedenen Sender durchprobierte, klopfte es. «Rüdiger!» Anton lief zum Fenster.
Und wirklich: Draußen saß der kleine Vampir. Er ließ sich ins Zimmer gleiten und zeigte auf den Fernseher. Gerade trällerte ein Kinderchor. «Hoch auf dem gelben Wagen …»
«Brr! Gelb!», fauchte der kleine Vampir. «Und mit so was verschwenden die ihre Sendezeit.»
«Typisch Samstagabend», erklärte Anton.
Am liebsten hätte er sich die Nase zugehalten: Rüdiger umwehte ein «Duft» nach chemischer Reinigung, der fast noch beißender war als der von Lumpi.
«Aber wir sollten
unsere
Zeit nicht mit solchem Schwachsinn verschwenden», sagte der kleine Vampir jetzt. «Komm, Anton, fliegen wir!»
«Und wie?», entgegnete Anton. «Ich habe keinen Umhang!»
Kichernd zog der kleine Vampir unter seinem Umhang einen zweiten hervor und reichte ihn Anton. «Hier, den kannst du bis auf weiteres behalten.»
«Ist es der von Onkel Theodor?», fragte Anton.
«Ja», bestätigte der kleine Vampir. «Er hat drei Tage lang in Motten-Troll gelegen.»
«In Motten-Troll?», murmelte Anton. Bestimmt würden
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