Der kleine Vampir feiert Weihnachten
…»
«Wieso?» Antons Vater griff nach der Fernsehzeitung. «‹Wir warten auf den Weihnachtsmann› – das klingt doch sehr nett!»
«Nett, nett!», knurrte Anton.
«Auf deinen ausgefallenen Geschmack sind die beim Fernsehen natürlich nicht vorbereitet!»
«Was meinst du mit ‹ausgefallen›?», erkundigte sich Anton.
«Für dich müsste die Sendung wahrscheinlich ‹Wir warten auf den Weihnachtsvampir› heißen!»
«Klar!»
«Aber es gibt nun mal keine Weihnachtsvampire im Fernsehen!» Antons Vater lachte.
«Stimmt», sagte Anton. «Im Fernsehen nicht …»
Und mit Unschuldsmiene blickte er seine Mutter an; denn er war es ja nicht gewesen, der das Gespräch auf … Vampire gebracht hatte.
Fröhliche Weihnachten!
Um kurz nach sechs klingelte es.
«Endlich!», sagte Antons Mutter.
«Ich mach auf!», rief Anton und sauste in den Flur.
Vor der Tür standen Anna und der kleine Vampir.
Die beiden sahen nicht gerade «weihnachtlich» aus: Sie hatten bunte, merkwürdig scheckige Gesichter und über ihren Vampirumhängen trugen sie dünne, vor Nässe glänzende Gummihäute – den Regenschutz der Vampire. Obendrein rochen sie furchtbar nach Moder und Sargluft …
«Guten Abend, Anton!», sagte Anna jetzt zärtlich.
«Hallo, Anna», antwortete er.
«Und mich begrüßt du wohl gar nicht, wie?», zischte der kleine Vampir. «Hat dir die sibirische Grippe die Sprache verschlagen?»
Anton spürte, dass er einen roten Kopf bekam. «Hallo, Rüdiger.»
«Schön, dass du da bist», fügte er hinzu.
«So ein scheußlicher Regen!», schimpfte Anna. «Richtiges Zwiebelwetter!»
«Zwiebelwetter?», wiederholte Anton verdutzt.
Sie kicherte. «Na ja, wenn man so viel übereinander ziehen muss … – Aber keine Sorge», sagte sie. «Ich habe etwas Hübsches darunter.»
Schnell streifte Anna die Gummihaut und den Vampirumhang ab. Ein elegantes dunkelrotes Samtkleid mit einem Stehkragen kam zum Vorschein.
«Toll!», sagte Anton, ehrlich beeindruckt.
«Meine Sachen sind auch nicht schlecht!», knurrte derkleine Vampir und zog nun ebenfalls die Gummihaut und den Vampirumhang aus. Staunend sah Anton, dass Rüdiger mit schwarzen Kniehosen, einem schwarzen Frack und einem lila Rüschenhemd bekleidet war.
«Woher habt ihr die Kostüme?», fragte er.
Der kleine Vampir warf Anna einen schadenfrohen Blick zu. «Die Sachen sind von ihrem Verflossenen!»
«Ekel!», fauchte Anna.
«Sind die Sachen etwa nicht von Igno von Rant?», fragte der kleine Vampir scheinheilig.
«Doch», gab Anna zähneknirschend zu. «Aber er ist
nicht
mein Verflossener! Im Gegenteil, ich finde ihn gemein und widerlich!»
«So plötzlich?»
«Gar nicht plötzlich! Und außerdem: Erstens hat
er
versucht, sich mit mir anzufreunden – und nicht umgekehrt. Zweitens konnte ich nicht wissen, dass er in Wirklichkeit Professor Piepenschnurz heißt und Vampirforscher ist! Und drittens», fuhr Anna mit erhobener Stimme fort, «sagst du das alles nur, weil du Anton und mir die Weihnachtsstimmung verderben willst!»
«Hoffentlich nicht!», ließ sich da Antons Vater vernehmen.
Anton drehte sich erschrocken um. Er hatte überhaupt nicht mehr an seine Eltern gedacht!
Sie standen am Ende des Flurs – vermutlich hatten sie bei der Begrüßung nicht stören wollen – und blickten erwartungsvoll zu ihnen herüber. Beklommen fragte Anton sich, wie lange sie da wohl schon standen und wie viel sie von dem Gespräch an der Wohnungstür mitbekommen hatten …
«Willst du deine Freunde nicht hereinbitten?», fragte Antons Vater jetzt.
Um seine Verlegenheit zu überspielen, machte Anton einen Schritt zur Seite und sagte betont locker: «Herein, wenn’s kein Vam–»
«–pir ist», wollte er witzeln. Aber dann stockte er.
«– wenn’s kein Vampirforscher ist, hihi!», ergänzte Anna kichernd.
Rüdiger stieß sie warnend in die Seite und zischte: «Hast du vergessen, was wir vereinbart haben?»
«Nein», sagte Anna mit schuldbewusster Miene.
«Was habt ihr denn vereinbart?», fragte Antons Vater neugierig.
«Ach, nichts von Bedeutung», antwortete der kleine Vampir. «Nur Familienangelegenheiten.»
Er ging auf Antons Mutter zu, reichte ihr die Hand, und mit einer schiefen Verbeugung sagte er: «Fröhliche Weihnachten, Frau Bohnsack. Und vielen Dank für die Einladung.»
Dann gab er Antons Vater die Hand. «Fröhliche Weihnachten, Herr Bohnsack. Und vielen Dank für die Einladung.»
«Es reicht, wenn ihr euch einmal bedankt!»
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