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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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Blut verursachte mir Übelkeit und weckte mich aus dem Tiefschlaf.
    Becky lag nach wie vor auf der Krankenliege. Komischerweise standen rechts und links von ihr zwei von Mutters alten Schneiderpuppen. Der frisch aufmontierte Fasan starrte sie aus neuen Augen an, während Becky den Blick aus zwei klaffenden, bluttriefenden Löchern erwiderte.
    Ich brauchte etwas, um die Löcher zu stopfen. Mutters Pingpong-Bälle. Sie hatte sie mit Nummern beschriftet und in ein Fässchen gelegt, aus dem sie jede Woche für die Gemeindelotterie herausgenommen wurden. Ich riss Kartons auf, durchwühlte Kisten und stemmte Metallkästen auf, bis ich das Fässchen gefunden hatte, in dem sie lagerten. Ich nahm zwei Bälle heraus, lief zu meiner Schwester
und drückte sie ihr in die Augenhöhlen, wo sie hoffentlich die Blutung stoppen würden.
    Die Anstrengung hatte mich all meine Energie gekostet. Noch immer zehrten die Chemikalien an mir, die ich durch den Lappen eingeatmet hatte. Ich fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Die Zeit verstrich.
     
    »Colm«, schrie Becky. Sie hatte Schmerzen.
    Ich wachte auf.
    »Ich bin da«, sagte ich.
    »Ich sehe nichts mehr!«, rief sie.
    »Ich werde für dich mit sehen.«
    »Es tut weh«, schluchzte sie zitternd. »Mir ist so kalt.«
    Direkt vor dem düsteren Verlies stand der kalte Heizkessel, der mir und meiner Schwester die Wärme verweigerte. Stumm und ohne etwas von unseren Bedürfnissen zu wissen, hockte er da. Auch er hatte uns verlassen, trotz meiner Gebete um sein Feuer und um Wärme. Erfüllt von Grauen und starr vor Kälte warteten wir auf den Morgen. Doch es gab keinen Sonnenaufgang, sondern nur den matten Schein einer mickrigen Fünfundzwanzig-Watt-Birne, die in unregelmäßigen Abständen flackerte und den Keller immer wieder mit völliger Finsternis bedrohte.
    Fiebergeschüttelt hustete und keuchte Becky. Ihr Atem rasselte nur noch.
    Ihr Zustand verschlimmerte sich, während die Trostlosigkeit unserer Tage in die Finsternis unserer Nächte überging. Schließlich verstummte ihr Atem. Meine Schwester war tot.
    Als ich ihren leblosen Körper in den Armen hielt, knarrte die Kellertür. Es war mein Vater. Er kam die
Treppe herunter und schwang ein Jagdmesser, den Blick auf Rebecca geheftet.
    »Du lässt sie in Ruhe!«, brüllte ich.
    Die Wucht seines Schlags stieß mich gegen eine der Schneiderpuppen, die darauf in ihre Einzelteile zerfiel. Ich hatte nur ein Ziel: meine Schwester vor seinen ruchlosen Händen zu schützen. Ich packte einen der losen Arme der Schneiderpuppe und ging damit auf meinen Vater los. Der Arm knallte gegen seine Kniescheibe, und es hörte sich an, als wäre ein Knochen gebrochen.
    »Du kleiner Scheißer!«
    Er stürzte sich auf mich, doch das gebrochene Knie wollte seinen massigen Leib nicht tragen. Er brach zusammen und hielt sich das verletzte Gelenk. »Ich bring dich um, und wenn es das Letzte ist, was ich tue«, schäumte er.
    Ein zweiter Schlag ließ mich zu Boden gehen. Ich drehte den Kopf, ehe mir der Schmerz das Bewusstsein raubte. Aus den Augenwinkeln sah ich Mutters Grinsen und das Nudelholz, das ein zweites Mal auf mich herabsauste.
     
    Als ich zu mir kam, schnitt mir ein Strick tief in die Handgelenke. Mein Kopf schmerzte unerträglich. Ich hing von einem Fleischerhaken wie eine Lammkeule.
    Vater hatte Becky gehäutet. Der Geier stand auf der Krankenliege und pickte an ihren Knochen. Indem er die Sehnen meiner Schwester mit dem Schnabel durchtrennte, legte er den Oberarmknochen frei und schleuderte ihn in die Luft, ehe er zusah, wie er auf dem Betonboden auftraf und zersplitterte. Der Geier hüpfte auf die verstreuten Fragmente und fraß sie nacheinander auf. Bald würde von meiner Schwester nichts mehr übrig sein. Das Tier beäugte mich grimmig.

    Wie wild trat ich um mich, bis ich den in den morschen Balken geschraubten Haken gelöst hatte und zu Boden stürzte. Ich packte den anderen Arm der Schneiderpuppe und warf ihn nach dem Vogel. Er krächzte, flog davon und hockte sich oben aufs Regal.
    Ich umarmte die Skelettreste meiner Schwester. Jetzt war es an mir, ihre Seele zu behüten und ihre Knochen vor weiteren Angriffen zu schützen. Ich beschloss, sie zu verbrennen. Nur so konnte ich sie vor Raubtieren aller Art schützen.
    Ich schnupperte in dem modrigen Keller umher, um irgendwelche Brennstoffe und brennbare Materialien ausfindig zu machen.
    Aus einer finsteren Ecke unseres Gefängnisses kam ein stechender Geruch, den ich bis zu seinem Ursprung

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