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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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den grell aufgemachten Laden. An der einen Wand hingen zwei Filmplakate, eines von David Cronenbergs Crash und das andere von Hellraiser III. Darunter standen drei U-förmig angeordnete Zweiersofas mit Bezügen aus Knautschsamt. Mehrere Kerzen sorgten für eine intime Beleuchtung, während der Duft von Sandelholz-Räucherstäbchen den Raum erfüllte. Margaret erinnerte das Arrangement an einen kleinen Altar. An der Wand gegenüber hingen Fotos von gepiercten Augenbrauen,
Ohren, Nasen, Lippen und anderen Körperteilen, die Margaret etwas an die Nieren gingen. Die dritte Wand war mit alten Stichen von Pikten, Melanesiern, Maori und Aborigines geschmückt, die über und über gepierct waren. Eine lebensgroße Statue eines afrikanischen Ibo-Kriegers, dessen Körper ebenfalls flächendeckend bemalt und gepierct war, ragte über Margaret auf.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Die Stimme riss Margaret aus ihren Gedanken. Ein groß gewachsener Mann in einer schwarzen Lederweste mit tätowierten Armen und nackter Brust lächelte sie an. In seinen Brauen steckten etliche Silberringe, während beide Ohren von Angelhaken durchbohrt waren.
    »Sagen Sie, wo würde man den tragen?«, fragte Margaret und zeigte ihm Moniques Ring.
    Francis musterte das Schmuckstück aufmerksam. »Das ist ein Ehering. Mit Jadesteinchen. Cool. Den wollen Sie sicher an einer ganz besonderen Stelle tragen, was?«
    »Ist das eine Ihrer Spezialitäten? Schmuck an ganz besonderen Stellen zu implantieren?«
    »Ich werde dreimal die Woche gebeten, einen Ring wie diesen an verschiedensten Körperstellen anzubringen.«
    »Auch an einer Klitoris?«
    »Da auch.«
    »Das ist also ein ganz normaler Wunsch?«
    »Absolut.«
    »Manche Leute würden das einen chirurgischen Eingriff nennen.«
    »Ist es ja auch.«
    »Haben Sie eine Genehmigung zum Operieren?«
    »Brauch ich eine?«
    »Manche Leute würden sagen ja.«

    Francis zuckte die Achseln.
    »Und Sie können wirklich einen Ring dieser Größe an einer Klitoris implantieren?«, hakte sie nach.
    »Ist ein Kinderspiel.«
    »Wie machen Sie das?«
    Francis beugte sein aknenarbiges Gesicht vertraulich zu Margaret. »Das überlassen Sie mir. Ein Tropfen Zaubermedizin, und Sie spüren überhaupt nichts.«
    »Wenn ich aber doch was spüren will?«
    »Dann gibt’s eben kein Novocain für Sie.«
    »Ziehen Sie auch Zähne?«
    »Wenn ich da unten welche finde«, gab er grinsend zurück.
    Am liebsten hätte sie ihm eine runtergehauen.
    »Es gibt da allerdings einen Haken«, sagte Margaret, während sie sich ihren Ärger verbiss.
    »Und zwar? Sagen Sie bloß nicht, Sie sind Bluterin.«
    »Nein. Ich will zwei haben. Einen für den Finger und den anderen für da unten. Und ich will zwei gleiche.«
    »Kein Problem. Aber Sie müssen mir den anderen Ring schon mitbringen.«
    »Können Sie den nicht machen?«
    »Das ist ein ausgefallenes Stück. Handgemacht.«
    »Ich dachte, Sie sind Spezialist.«
    Francis verstummte und starrte die Frau an, die ihm da so viele Fragen stellte. Langsam zeichnete sich Angst auf seinem Gesicht ab. Er witterte Gefahr. »Da sind Sie in der falschen Bodega, Miss. Hasta la vista.«
    Sein Blick wanderte zu der Polizeimarke, die Margaret ihm nun zeigte und die unter der Deckenlampe des Ladens glitzerte. »Ach, kommen Sie, wo ist denn Ihr Humor geblieben?«, sagte er mit verlegenem Grinsen.

    »Ist das Ihr Werk?«, fragte Margaret und zeigte ihm das Foto von Moniques Genitalien aus der Gerichtsmedizin, auf dem der implantierte Ring zu sehen war.
    »Das ist nicht von mir.«
    »Von wem dann?«
    Wut und Trotz lösten seine Angst ab. Er griff nach einem zerfledderten Exemplar der Gelben Seiten. »Hier! Piercing-Studios! Vier Seiten. Suchen Sie sich was raus!«
    Margaret umfasste seine Unterarme wie ein Schraubstock und drückte sie fest auf den Resopaltresen.
    »Versuchen Sie nicht, mich zu verarschen«, fauchte sie. »Sie brauchen eine Zulassung als Arzt, wenn Sie solche Eingriffe vornehmen, und ich kann Ihren Laden schneller schließen lassen, als Sie das Wort Gesetzesverstoß aussprechen können.« Sie klappte ihr Mobiltelefon auf. »Nur sieben Ziffern trennen Sie von einer Inspektion durch das Gesundheitsamt.«
    »Das ist Polizeischikane.«
    Margaret wählte eine Nummer.
    »Oh, Scheiße«, stöhnte er, als Margaret ihm das Handy ans Ohr hielt.
    »Sie haben die Nummer der New Yorker Gesundheitsbehörde gewählt. Wenn Sie von einem Tonwahltelefon aus anrufen, drücken Sie bitte die Eins.«
    Margarets Finger

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