Der Knochendieb
dem Anblick zusammen. Vor ihm lagen Fetzen knochenlosen Fleisches sowie stinkende Haut- und Muskelstreifen.
»Haben Sie den Bericht der Spurensicherung bekommen?«, fragte Pearsol.
»Ja. Sie haben rein gar nichts gefunden. Sämtliches Blut stammte vom Opfer. Die Baumwollfasern können aus Tausenden möglicher Quellen kommen, und sie haben weder an der Leiche noch am Tatort irgendwelche anderen
gerichtlich verwertbaren Spuren entdeckt. Es ist fast, als würde ein Geist diese Morde begehen.«
Der Rechtsmediziner drückte die Taste, die den Uher-Recorder in Betrieb setzte.
»Objekt C296B21. Einlieferungstag 19. Oktober 2005. Name Monique Beauford, vorläufig identifiziert durch einen Führerschein des Staates New York. Leiche besteht aus einem weiblichen Torso mit Teilen der Extremitäten. Die Untersuchung ergab mehrfache Fleischwunden durch Vogelschnäbel sowie das Fehlen des Skeletts und der rechten Brust. Die inneren Organe sind beschädigt. Weitere Mikroanalyse erforderlich, gefolgt von DNA-Analyse und pathologischen Untersuchungen. Die Knochen des Opfers wurden nach dem Ausweiden chirurgisch entfernt. Der erste Schnitt misst 26,5 Zentimeter, beginnt am Bauch und endet an den äußeren Schamlippen.« Pearsol stellte den Recorder ab und wandte sich an Driscoll. »Er hat sie ausgenommen wie einen Fisch.«
»Der Kerl hat ein wahres Schlachtfest veranstaltet«, ergänzte Jasper Eliot.
Pearsol drückte erneut die Taste und fuhr fort. »Als Nächstes erfolgten laterale Einschnitte in beide Oberschenkel, was das Auslösen der Schenkelknochen ermöglicht hat. Die Einschnitte messen neunundzwanzig beziehungsweise dreißig Zentimeter. Patella, Fibula und Tibia des Opfers fehlen ebenso wie Malleolus externus und internus.«
»Die Möwen haben ein paar der feinsten Teile abgekriegt«, flüsterte Jasper Eliot Driscoll zu. »Was will der Typ nur mit den Knochen?«
»Das wüssten wir auch gern. Larry, schalten Sie doch kurz den Recorder ab und erzählen Sie mir was.«
»Aber gern.« Pearsol drückte erneut die Stopptaste und wandte sich Driscoll zu. »Vor uns haben wir Teile der Leiche einer unterernährten Weißen, die möglicherweise magersüchtig war. Ihre Schamhaare hat sie blond gefärbt. Dazwischen verbirgt sich eine verblasste Tätowierung in Herzform. Schräg. Etwa eins zweiundsiebzig bis eins sechsundsiebzig groß, Gewicht zwischen achtundvierzig und zweiundfünfzig Kilo. Meine Erstuntersuchung ihrer Genitalien weist keine Anzeichen einer kürzlich erfolgten Vergewaltigung auf. Im Fleisch ihrer Schultern habe ich kreisförmige Verletzungen von einem halben Zentimeter Durchmesser gefunden, insgesamt acht, die wahrscheinlich alle nach ihrem Tod durch Acht-Zentimeter-Nägel entstanden sind.«
»Damit hat er sie an den Schultern an die Planken genagelt. Und was ist mit dem Piercing?«
»Um die Perforation herum hat sich überschießendes Narbengewebe gebildet.«
»Können Sie daraus schließen, wann sie es hat machen lassen?«
Pearsol schraubte den Deckel eines Aluminiumbehälters auf und leerte ihn aus. Der Ring landete klirrend in einem gläsernen Schälchen.
»Dem Narbengewebe nach zu urteilen würde ich sagen, sie trägt das Piercing seit etwa zwei Monaten«, mutmaßte er.
Driscoll betrachtete das Schmuckstück, einen Goldring mit Jadesteinchen. »Ich brauche so schnell wie möglich die Zusammensetzung des Rings.«
»Da sind wir Ihnen einen Schritt voraus, Lieutenant.« Jasper Eliot reichte Driscoll einen Computerausdruck, auf dem die chemische Analyse des Rings aufgeschlüsselt
war: »11,1 Milligramm Gold, 26,2 Milligramm Kupfer, 2,6 Milligramm Blei, 2,3 Milligramm Zinn, 8,7 Milligramm Stahl und 3,7 Milligramm Harze. Steine aus Jadeimitat. Geschätzter Wert: 16,32 Dollar.«
»Und was ist mit dem, der das Piercing gemacht hat?«, fragte Driscoll, den Blick immer noch auf Eliots Bericht.
»Also, das ist ein Perfektionist. Der Mann kann mit Fleisch umgehen. Er hat keine Nagelpistole verwendet. Die Wundränder sind absolut symmetrisch. Tadellose Arbeit. Glauben Sie, der Piercing-Künstler und Ihr Täter sind ein und derselbe?«
»Kann man nicht ausschließen.« Driscoll wählte auf seinem Mobiltelefon eine Nummer.
Margaret meldete sich beim dritten Klingeln.
»Ich will eine Liste mit Piercing-Studios«, erklärte Driscoll. »Fang mit New York, New Jersey und Connecticut an.«
»Verstoßen Ohrringe nicht gegen die Dienstvorschriften?«
»Sehr witzig. Es könnte eine Spur
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