Der Knochendieb
begangene Grausamkeit herausbrüllten, während sich auf ihren feuchten Pupillen der Wahn ihres Henkers widerspiegelte. Doch Colm war immun gegen das stille Flehen um Gnade, das ihr Blick vermittelte.
Ihre Resistenz gegen das Narkosemittel war ihm unbegreiflich. Seine Digitaluhr zeigte 2.48 Uhr morgens. Er hatte die fünfzehn Minuten gewartet, bis die zwanzig Kubikzentimeter normalerweise ihre Wirkung taten, doch es hatte nichts genutzt. Nun zog er eine zweite Spritze auf und injizierte ihr intravenös eine weitere Dosis. Es war 2.51 Uhr. Die zweite Dosis wirkte.
Colm bekam Herzklopfen. Er nahm die Handtasche seines Opfers und durchwühlte sie.
»Amelia Stockard«, las er von einer Kreditkarte ab. »Was für ein nobler Name. Ich kann Ihnen versichern, Miss Stockard, dass Ihre E-Mails amüsanter waren als die meisten anderen. Und wenn man bedenkt, dass Sie einmal eine Affäre mit dem verstorbenen Charles F. Brunner hatten, dem früheren Chef der Müllabfuhr von Hoboken, dann haben Sie wirklich Anspruch auf eine großartige Ruhestätte, junge Frau.«
Er grinste seine bewusstlose Gefangene an, ehe er sie sich auf die Schulter hievte und auf den Fleischerhaken zutrat, der von dem Querträger in der Mitte des Operationssaals herunterhing. Dort angelangt, drehte er ihren Körper zu sich her, zog den Haken auf gleiche Höhe mit ihrer dritten und vierten Rippe und drückte ihren Rumpf gegen die scharfe Spitze. Der Stahl durchbohrte auf dem Weg zu ihrem Herzen den rechten Lungenflügel, ehe er in die linke Herzkammer eindrang. Ein Krampf durchzuckte seine Geisel. Ihre Lunge sog sich mit Flüssigkeit voll, und Amelia Stockard begann zu röcheln. Blut tröpfelte aus ihrer Nase und fiel auf die fuchsienrote Bluse.
Der Anblick der Blutstropfen auf der Bluse missfiel ihm. Er knöpfte das Kleidungsstück auf, streifte es ihr ab und warf es in die Spüle, die er mit Wasser und einem Spritzer Wollwaschmittel gefüllt hatte.
Auch ihr BH war mittlerweile blutgetränkt. Colm schnitt ihn ihr mit einer kleinen Schere vom Leib und warf ihn zu der Bluse ins Spülbecken, gefolgt von ihrem Rock, den Strümpfen und dem Slip. Dann stellte er einen Eimer unter ihre Füße, um das restliche Blut aufzufangen. Wie bleich sie geworden war im Gegensatz zu ihrem scharlachroten Ausfluss.
Als sie ausgeblutet war, nahm Colm sie vom Haken und legte sie auf den Ausbeintisch. Die dort vorsorglich aufgeschütteten Sägespäne rochen metallisch.
Das Ausbeinmesser kannte keine Gnade mit den Muskeln um den Oberarmknochen und durchtrennte die elastischen Bänder, ohne den Knochen anzukratzen. Als Nächstes wandte sich Colm dem Hinterteil der Brünetten zu, ehe er sich über ihre Beine hermachte.
Nachdem er sie mit dem Fleischerbeil enthauptet hatte, tauchte er ihren Kopf in ein Fass mit Schwefeltrioxid und sah zu, wie es sprudelnd aufschäumte. Es machte weniger Mühe, das Fleisch mithilfe von Säure vom Schädel zu lösen. Außerdem bestand so nicht die Gefahr, die glatte Oberfläche der Knochen zu beschädigen. Frühere Fehler hatten ihn gelehrt, dass die Gesichtsknochen zarter waren und von einem scharfen Werkzeug leichter verletzt wurden. Zuletzt kämen Hände und Füße an die Reihe.
Ray Orbisons »Pretty Woman« dröhnte aus den Raumklangboxen, die ideale Begleitung für das Zusammentreffen von Klinge und Fleisch. Er hatte gut gewählt. Sein Musikgeschmack war tadellos.
20. KAPITEL
Schien- und Wadenbeine der Brünetten passten gerade so in den Trockenofen. Er war eigentlich zum Brennen von Ton gedacht, eignete sich jedoch bestens zum Trocknen menschlicher Knochen. Colms Reliquien mussten unbedingt entwässert und konserviert werden. Ohne Feuchtigkeit würden sie den Angriffen der Zeit ebenso widerstehen wie die Inkakönige, die jahrhundertelang unversehrt unter dem trockenen Sand Perus gelegen hatten. Reglos stand Colm da, umhüllt von der sengenden Hitze, die den kleinen Raum durchdrang, während der Brennofen seine Zauberkraft entfaltete.
Das Klingeln der Zeitschaltuhr des Ofens riss ihn aus seinen Träumen. Er öffnete die Ofentür, musterte seine Trophäen und bestaunte deren Reinheit. Die Knochen waren weißer als weiß, ja geradezu blendend weiß. Er
sehnte sich danach, sie anzufassen, doch er würde sich gedulden müssen, bis sie etwas abgekühlt waren. Erst dann konnte er sie liebkosen.
Ein Summer ertönte und unterbrach sein feierliches Ritual. Colm erschauerte wie ein Nachttier in seinem Bau. Er kniff die Augen zusammen, bis sie
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