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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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nur noch schmale Schlitze waren, und bemühte sich, jede noch so kleine Störung durch die Außenwelt wahrzunehmen.
    Der Summer ertönte erneut. Das Geräusch war unverkennbar: Es stand jemand vor seinem Tor. Colm stellte den Überwachungsmonitor an. Das Bild eines kleinen Mädchens erschien auf dem Bildschirm. Sie war höchstens einen Meter dreißig groß. Ein blauer Blazer und ein karierter Faltenrock hingen an ihrem mageren Körper. Sie lächelte schief und war allein.
    »Müsstest du nicht in der Schule sein?«, fragte er. Seine Stimme drang knisternd durch die Sprechanlage seines palastartigen Anwesens.
    »Möchten Sie Plätzchen kaufen?«
    »Plätzchen? Eigentlich keine schlechte Idee.«
    Colm drückte den Türöffner. Das Tor schwang auf. Er hatte mehr als genug Zeit, bis sie an der Haustür angelangt war. Schnell stellte er den Brennofen ab und ging in die Halle. Schon klingelte es an der Tür. Er machte auf und ließ sie herein.
    »Du bist also von der St.-Agnes-Grundschule«, sagte er nach einem Blick auf das Wappen an ihrem Blazer.
    »Schwester Mary Sean sammelt für unsere Missionen in San Salvador.«
    »Unsere Missionen?«
    »Ja, Sir, wegen des Kriegs gibt es dort viele Waisenkinder.«

    Das Mädchen war vielleicht zwölf Jahre alt und sah aus der Nähe noch zerbrechlicher aus als auf dem Überwachungsmonitor. Ihre glasigen Augen wiesen auf Mangelernährung hin, und an ihrem Teint konnte man die Armut ablesen.
    »Ich habe eine Schwäche für Süßigkeiten«, sagte er.
    »Die Plätzchen sind von Monsignor Carlucci gesegnet worden.«
    »Freut mich.«
    »Hier riecht es, als ob etwas anbrennt«, flüsterte sie und schnupperte.
    »Jetzt hast du mich erwischt. Ich bin ein miserabler Koch.«
    Colm verschwand und ließ sie in dem riesigen, schick eingerichteten Wohnzimmer stehen. Als er wiederkam, war sie nirgends zu sehen.
    Musste er jetzt das ganze Haus durchsuchen? Alle zweiundzwanzig Räume? Die Vorstellung reizte ihn. Er hatte noch nie ein katholisches Schulmädchen gejagt.
    »Wo sind Sie denn so lang geblieben?« Grinsend trat sie hinter einem orientalischen Paravent hervor.
    »Ich dachte schon, du wolltest Verstecken spielen«, erwiderte er.
    »Dafür habe ich keine Zeit. Ich bin schließlich in einer Mission hier«, erklärte sie. »Nämlich um den Missionen zu helfen. Mann, jetzt hab ich einen Witz gemacht.« Sie kicherte. »Auf jeden Fall ist es total wichtig, unsere Missionen zu unterstützen. Also wäre es echt toll, wenn Sie ein paar Plätzchen kaufen würden. Bitte.«
    Der Gedanke an ihr Skelett, ihre Knochen wie Zweige von einem unterernährten Strauch, beschwingte ihn. Doch ihre aschfahle Haut sprach von ungenannten Gebrechen
und genetischen Defekten. In einem Raum voller prächtiger Reliquien würde sie eine blasse Trophäe abgeben.
    »Möchten Sie mal ein Plätzchen probieren?«, fragte sie und öffnete mit ihren spindeldürren Fingern die schon fast leere Dose.
    Colm malte sich die Knochen in diesen Fingern aus, wie weiße Kieselsteine, die von den Gezeiten geschliffen und poliert waren. Der Drang, an ihnen zu saugen, wurde schier unbezwingbar. Sein Verlangen wurde übermächtig.
    »Das wäre schön.«
    Sie kam näher und hielt ihm ein Plätzchen mit Schokoladenüberzug hin wie ein Priester beim Abendmahl die Hostie. Die Nähe ihrer Finger machte ihn wahnsinnig. »Kommen Sie, beißen Sie schon ab.«
    Rasch griff er nach ihrer Hand, wich mit den Lippen dem Gebäck aus und knabberte stattdessen an ihrem kleinen Finger. Vor Lust wiegte er den Kopf. Um seine Perversion zu kaschieren, schluckte er das Plätzchen im Ganzen hinunter.
    »Die … kosten drei Dollar fünfzig«, stammelte sie, während ihr Tränen in die Augen traten. Sie zog ihre Hand weg und spähte beklommen auf die Spitze ihres kleinen Fingers. »Vielleicht sollte ich jetzt lieber gehen.«
    »Steck mir noch eins in den Mund.«
    »Da müsste ich aber eine neue Dose aufmachen.«
    »Tu das bitte. Ich bezahle sie.«
    Mit zitternden Händen wickelte sie die Dose aus der Zellophanhülle und präsentierte reihenweise mit Zuckerguss überzogene Plätzchen. Zögerlich hielt sie ihm ein zweites vor den Mund.

    Diesmal machte ihn das Verlangen kühn. Er ließ seine Zunge in ihre gekrümmte Handfläche gleiten. Gelähmt vor Angst regte sie sich nicht.
    »Sie können eine Statue der Jungfrau Maria gewinnen«, wimmerte sie. »Wenn Sie zwei Dosen kaufen, kommt Ihr Name automatisch in die Verlosung. Bitte lassen Sie mich gehen.«
    Im selben Moment,

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