Der Knochendieb
auf der Müllkippe gefunden wurde, die Magnolia-Tee-Erbin?«
»Genau. Und jetzt hören Sie mir gut zu. Schnappen Sie sich Butler und Vittaggio. Informieren Sie die beiden über die jüngsten Entwicklungen und schicken Sie sie zu Saks Fifth Avenue. Sie sollen alles über Miss Stockards Kundenkarte in Erfahrung bringen. Die Nummer ist 2476-3876-1204. Sie sollen mit dem dortigen Sicherheitsbeauftragten sprechen, aber alles vertraulich behandeln. Ich will eine Liste sämtlicher Einkäufe von Miss Stockard im letzten Jahr, und ich will wissen, ob irgendjemand sonst berechtigt war, ihre Kundenkarte zu benutzen. Außerdem sollen sie mir ihre aktuelle Adresse besorgen.«
»Ich werde das sofort in die Wege leiten.«
Detective First Grade Liz Butler gehörte zur Sonderkommission. Sie war eine hervorragende Polizistin, die sich durch einen scharfen, unbestechlichen Verstand und große Hartnäckigkeit auszeichnete. Ihr Partner Luigi Vittaggio stand ihr darin um nichts nach. Driscoll wusste, dass die beiden ihre Aufgabe gründlich erledigen würden. Wenn er jetzt nur noch die Medien in Schach halten könnte. Doch das hier war New York City, die Hauptstadt der Welt, und in puncto Nachrichtenwert konnte der Tod der Tee-Erbin durchaus mit der Patty-Hearst-Entführung mithalten.
Driscoll wandte sich wieder Pearsol zu. »Können Sie dem Fötus eine DNA-Probe entnehmen und sie mit der Liste bekannter Sexualstraftäter abgleichen?« Es war reine Spekulation, aber Driscoll wollte sämtliche Möglichkeiten abdecken.
»Klar, aber das kann ein paar Tage dauern.«
»Larry, das sind vielleicht schon ein paar Tage zu viel.«
23. KAPITEL
Colm war seit sechs Uhr früh auf den Beinen, und es war ein anstrengender Arbeitstag geworden. Ein Ende schien nicht abzusehen, was ihn langsam verzweifeln ließ, da er weder flüchten noch sich anderweitig Erleichterung verschaffen konnte. Sein Beruf bot ihm zwar einen gewissen Schutz vor seinen Dämonen, doch gingen ihm sämtliche Kollegen massiv auf die Nerven, sodass seine Laune immer schlechter wurde. Er sah auf die Uhr. Noch fünfundvierzig Minuten, bevor er seinen Arbeitsplatz verlassen
und zu seiner Verabredung gehen konnte. Die Zeit zog sich endlos hin.
Er lehnte sich auf seinem Drehstuhl zurück und schloss die Augen. Auf einmal musste er an seinen ersten Krankenhausaufenthalt denken.
Es war das Williston Medical Center in South Burlington, Vermont, gewesen. Er erinnerte sich an das leise Quietschen der fahrbaren Liege, auf der er im Zickzackkurs durch die mit Desinfektionsmittel geschrubbten Krankenhausflure zu einer geschlossenen Station im zweiten Stock gerollt worden war. Seine Hand- und Fußgelenke waren mit Lederriemen an das metallene Gefährt gefesselt. In seinem von einer hohen Dosis Valium herbeigeführten Halbschlaf konnte er sich kaum an die Ereignisse erinnern, die zu seiner Einlieferung ins Krankenhaus geführt hatten. Und wo waren überhaupt seine Eltern? Warum waren sie nicht da? Er spürte, dass ihnen etwas Unheilvolles zugestoßen war. Und was war das für ein Geruch? Er gehörte nicht zu den kurvenreichen Krankenhausfluren. Nein. Er kam aus seiner eigenen, ziemlich zerfetzten Kleidung. In seiner valiumbedingten Benommenheit fiel es ihm schwer, dem Geruch einen Namen zuzuordnen, bis es ihm plötzlich dämmerte: Es roch nach Rauch. Hatte es bei ihm zu Hause gebrannt? Er sah zu dem Pfleger auf, der die Liege schob, und versuchte zu sprechen, doch die Worte wollten nicht kommen. Es war, als hielte jemand seine Stimmbänder im Würgegriff. Aus seinem Mund kam nichts als Speichel. Er mühte sich, durch tränennasse Augen etwas zu kommunizieren, doch der Pfleger sah nichts weiter als Colms glasigen Blick, der dem eines verschreckten Rehs ähnelte.
Sie bestiegen den Aufzug, wo der Pfleger mit einer redseligen Schwester schäkerte. Colm fühlte sich übergangen. In seiner Wut auf den nachlässigen Pfleger musste er gegen den Drang ankämpfen, trotz seiner Fesseln auf den Mann einzuschlagen. Mit einem Ruck blieb der Aufzug stehen. Die Liege fuhr wieder los, durch weitere kurvenreiche Flure. Aus einem knisternden Lautsprecher drang die entschlossene Stimme einer Frau, die Ärzte und Schwestern in verschiedene Abteilungen der Klinik schickte.
»Endstation«, sagte der Pfleger, als er die Liege vor einer zweieinhalb Meter hohen Stahltür zum Halten brachte. An der Tür hing ein Plastikschild: KINDER-UND JUGENDPSYCHIATRIE. Nachdem er eine Klingel gedrückt hatte, spähte der
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